Entscheidung über die Kosten des Streithelfers auch ohne Beitritt im Hauptsacheverfahren

Gleich drei Entscheidungen des Bundesgerichtshofs aus dem Dezember 2013 (eine davon für die Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) befassen sich mit der Frage, ob in der Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren auch über die Kosten eines Streithelfers zu entscheiden ist, der nur im selbständigen Beweisverfahren, nicht aber im Hauptsacheverfahren beigetreten ist.

Insbesondere Bauprozesse werden häufig durch ein selbständiges Beweisverfahren gem. §§ 485 ff. ZPO vorbereitet. Im Rahmen eines solchen selbständigen Beweisverfahrens kann der Bauherr dann bestimmte von ihm gerügte Mängel durch ein Sachverständigengutachten feststellen lassen, § 485 Abs. 2 ZPO. Die sachverständigen Feststellungen sind im Folgeprozess gem. § 493 Abs. 1 ZPO verwertbar und ersetzen dort die Beweisaufnahme. (S. zum selbständigen Beweisverfahren auch den äußerst lesenswerten Beitrag von M. Huber, JuS 2004, 214).

Wer die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens trägt, richtet sich nach folgenden Grundsätzen:

  • Nicht selten kommt nach Eingang des Gutachtens eine Einigung zustande (vgl. auch § 485 Abs. 2 Satz 2 ZPO ZPO), im Rahmen derer dann auch eine Regelung über die Kosten getroffen wird.
  • Veranlasst der Antragsteller nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens hingegen nichts (z.B. weil die Mängel nicht festgestellt werden konnten), trägt er seine Kosten selbst. Der Antragsgegner ist durch § 494a ZPO geschützt: Seine Kosten sind dem Antragsteller aufzuerlegen, wenn letzterer trotz Antrags des Antragsgegners binnen einer ihm gesetzten Frist keine Klage erhebt.
  • In vielen Fällen wird der Antragsteller nach Abschluss des selbständigen Beweisverfahrens jedoch Klage gegen den Antragsgegner erheben. Über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens ist dann im Rahmen der allgemeinen Kostenentscheidung im Hauptsacheverfahren gem. §§ 91 ff. ZPO zu entscheiden. Endet das Verfahren durch einen Prozessvergleich, ist in diesen auch eine Regelung über die Kosten des selbständigen Beweisverfahrens aufzunehmen.

Mit einem selbständigen Beweisverfahren konfrontiert wird der Antragsgegner seinen Subunternehmern ggf. den Streit verkünden, und zwar immer dann, wenn er später bei diesen Regress nehmen will. Dass eine Streitverkündung im selbständigen Beweisverfahren möglich ist, hatte der Bundesgerichtshof bereits 1997 entschieden (s. K. Schmidt, JuS 1997, 470). Die Streitverkündung hat für den Antragsgegner zwei Vorteile: Die Feststellungen des Sachverständigen im selbständigen Beweisverfahren binden gem. §§ 72, 66 ff. ZPO auch den Streitverkündeten (s. die Erläuterungen hier) und die Streitverkündung unterbricht gem. § 204 Abs. 1 Ziff. 6 BGB die Verjährung.

Wer die Kosten des beigetretenen Streitverkündeten trägt, richtet sich nach § 101 Abs. 1 ZPO: Gewinnt die unterstützte Hauptpartei, trägt der Gegner die Kosten; unterliegt die unterstützte Hauptpartei, trägt der Streitverkündete seine Kosten selbst. In den vom Bundesgerichtshof zu entscheidenden Fällen war der Streithelfer einer der Parteien zwar im selbständigen Beweisverfahren beigetreten, nicht aber im späteren Hauptsacheverfahren. In den Hauptsacheverfahren war über die Kosten des Streithelfers deshalb nicht entschieden worden.

Würde man dem Streithelfer eine Kostenentscheidung verwehren hätte er auch keinen prozessualen Kostenerstattungsanspruch, aufgrund dessen er seine Auslagen im Kostenfestsetzungsverfahren gem. §§ 103 ff. ZPO gegen den Prozessgegner durchsetzen könnte. Er könnte seine Kosten dann nur (ggf. in einem weiteren Verfahren) geltend machen, wenn ihm gegen den Prozessgegner ein Kostenerstattungsanspruch aus materiellem Recht zustünde. (S. zum materiellen und prozessualen Kostenerstattungsanspruch auch den Beitrag von Fischer, JuS 2013, 694 ff.)

Beschluss vom 05.12.2013 – VII ZB 15/12

Mit Beschluss vom 05.12.2013 – VII ZB 15/12 hat der VII. Zivilsenat entschieden, dass über die Kosten des Streithelfers auch dann zu entscheiden sei, wenn dieser im Hauptsacheverfahren nicht beigetreten ist:

"Über die Kosten eines selbständigen Beweisverfahrens ist grundsätzlich in dem sich anschließenden Hauptsacheverfahren zu entscheiden. Da das Beweis- und das Hauptsacheverfahren kostenrechtlich eine Einheit bilden, umfassen die Kosten des Rechtsstreits stets auch die Kosten eines vorausgegangenen selbständigen Beweisverfahrens, wenn zumindest ein Teil der Streitgegenstände und die Parteien identisch sind […].

bb) Dies gilt nach der Rechtsprechung des BGH nicht nur für die Kosten der Hauptparteien, sondern auch für die Kosten des im Hauptsacheverfahren beigetretenen Streithelfers aus einem vorangegangenen selbständigen Beweisverfahren, in dem eine Streitverkündung zulässig ist und die §§ 66 ff. ZPO sowie § 101 ZPO entsprechende Anwendung finden […].

cc) Offen gelassen hat der BGH die Frage, ob § 101 I ZPO im Hauptsacheverfahren Anwendung findet, wenn der Streithelfer des selbständigen Beweisverfahrens dem Hauptsacheverfahren nicht beitritt […].

Diese Frage ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Während die überwiegend vertretene Ansicht einen Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers unabhängig von seinem Beitritt auch im Hauptsacheverfahren zuerkennt […], hält die Gegenansicht einen Beitritt im Hauptsacheverfahren stets für erforderlich […].

Die erstgenannte Auffassung ist zutreffend. Die entsprechende Anwendung des § 101 I ZPO für das selbständige Beweisverfahren führt unabhängig von einem zusätzlichen Beitritt des Streithelfers im Hauptsacheverfahren zu einer Entscheidung über dessen Kosten im selbständigen Beweisverfahren."

Dies begründet der Bundesgerichtshof damit, dass es im Interesse aller Beteiligten (d.h. sowohl des Prozessgegners als auch des Streitverkündeten) liege, wenn über die Kosten des Streithelfers von Amts wegen entschieden wird. Denn der Streithelfer sei sonst gezwungen, dem Hauptsacheverfahren nur mit dem Ziel beizutreten, eine Kostenentscheidung herbeizuführen. Da er vor dem Landgericht hierfür einen Anwalt beauftragen müsse, entstünden weitere Kosten, die je nach Ausgang des Verfahrens entweder der Streitverkündete selbst oder aber der Gegner tragen müsse. Zudem führe eine Entscheidung über die Kosten des Streithelfers auch nicht zu einem erheblichen Mehraufwand auf Seiten der Justiz.

Beschluss vom 19.12.2013 – VII ZB 11/12

Mit Beschluss vom 19.12.2013 – VII ZB 11/12 hat der VII. Senat daran anknüpfend entschieden, dass über die Kosten des nicht beigetretenen Streithelfers auch dann (durch gesonderten Beschluss) zu entscheiden sei, wenn das Hauptsacheverfahren mit einem Vergleich endet. Die Kostenentscheidung dem Streithelfer gegenüber habe sich dabei inhaltlich nach der im Vergleich vereinbarten Kostenregelung zu richten:

"Der sich aus der entsprechenden Anwendung des § 101 Abs. 1 ZPO ergebende Grundsatz der Kostenparallelität führt dazu, dass der Kostenerstattungsanspruch des Streithelfers inhaltlich dem Kostenerstattungsanspruch entspricht, den die von ihm unterstützte Hauptpartei gegen den Gegner hat. Das gilt nicht nur für richterliche Kostenentscheidungen nach Maßgabe der §§ 91 bis 97 ZPO, sondern, wie sich aus der Bezugnahme des § 101 Abs. 1 ZPO auf § 98 ZPO ergibt, auch bei Vereinbarungen der Parteien über die Verteilung der sie betreffenden Prozesskosten in einem Vergleich, den sie ohne Beteiligung des Streithelfers geschlossen haben. Eine solche Vereinbarung ist nach § 101 Abs. 1, § 98 ZPO maßgeblich für die Verteilung der durch die Nebenintervention verursachten Kosten."

Beschluss vom 18.12.2013 – V ZB 19/13

Und Letzteres hatte einen Tag zuvor auch schon der V. Senat so entschieden, und zwar mit Beschluss vom 18.12.2013 – V ZB 19/13.

Anmerkung/Besprechung BGH, Beschlüsse vom 05.12.2013, 18.12.2013 und 19.12.2013, VII ZB 11/12, VII ZB 15/12 und V ZB 19/13.

 Foto: Andreas Praefcke, Karlsruhe BGH Eingangsbereich, CC BY 3.0