(Keine) Flucht in den Befangenheitsantrag – oder: der „Vertretertrick“
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen.„Die Revision gegen ein zweites Versäumnisurteil kann (…) nicht darauf gestützt werden, Ablehnungsgesuche der säumigen Partei seien fehlerhaft behandelt worden.
a) Die Regelungen der § 514 Abs. 2 Satz 1, § 565 Satz 1 ZPO dienen nicht allgemein der Korrektur von Rechtsanwendungsfehlern. Sie stellen eng auszulegende Ausnahmevorschriften dar, die lediglich die Überprüfung ermöglichen sollen, ob eine schuldhafte Säumnis tatsächlich vorgelegen hat, mithin die Sanktion des endgültigen Prozessverlustes gerechtfertigt ist. Ansonsten sollen sie einer Verschleppung des Rechtsstreits vorbeugen. Eine Anwendung der Vorschriften auch auf den Fall, dass die schuldhaft säumige Partei in der Revision die unrichtige Behandlung ihrer Ablehnungsgesuche durch das Berufungsgericht rügt, steht diesem Ziel entgegen (…).
b) Die Vorschrift des § 514 Abs. 2 ZPO entspringt nicht der grundsätzlichen Wertung, dass ein Verstoß gegen das rechtliche Gehör oder gegen andere Verfahrensgrundrechte bereits für sich allein die Berufung oder die Revision ermöglichen soll. Vielmehr geht es lediglich um die Regelung des Sonderfalls der (unverschuldeten) Säumnis (…).
c) Die ordnungsgemäße Ladung der Beklagten zu dem Termin zur mündlichen Verhandlung über den Einspruch wird von der Beschwerde nicht in Frage gestellt. Unter Beachtung der maßgeblichen Rechtslage mussten die Beklagten, um ein zweites Versäumnisurteil zu vermeiden, zu diesem Termin erscheinen und zur Sache verhandeln. Da dies nicht geschehen ist, scheidet - zumal der Vorsitzende den auf dem Gang anwesenden Verfahrensbevollmächtigten nochmals ausdrücklich über den Termin unterrichtete - eine unverschuldete Säumnis aus.“
Anmerkung
Als prozesstaktisches Mittel dürfte das Ablehnungsgesuch damit wohl ausgedient haben:- Wird das Ablehnungsgesuch im Termin angebracht, ermöglicht (die immer noch erstaunlich unbekannte Regelung des) § 47 Abs. 2 ZPO dem Gericht, weiterzuverhandeln und – wenn das Ablehnungsgesuch keinen Erfolg hat – abschließend zu entscheiden.
- Wird das Ablehnungsgesuch kurz vor dem Verkündungstermin angebracht in der Hoffnung, dieser möge ohne Verkündung einer Entscheidung verstreichen (so dass ein neuer Verhandlungstermin anberaumt werden muss), gestattet § 47 Abs. 1 ZPO dem abgelehnten Richter, den Verkündungstermin zu verlegen, wie das OLG Hamburg kürzlich überzeugend entschieden hat (Beschluss vom 30.06.2016 - 3 U 130/16).
- Und wird das Ablehnungsgesuch kurz vor dem Verhandlungstermin angebracht, kann das Gericht mit dem nun vom BGH gebilligten „Vertretertrick“ das Verfahren beenden, ohne dass dagegen ein Rechtsmittel statthaft wäre.