Richtige Entscheidungsform bei fehlender Anspruchsbegründung
Entscheidung
Das OLG hat das Endurteil aufgehoben und sie Sache zurückverwiesen:„Das Landgericht hat fehlerhaft durch ein instanzbeendendes Endurteil anstatt durch (erstes) Versäumnisurteil entschieden. Seine Entscheidung war aufzuheben und das Verfahren zurückzuverweisen. (…)
a) Die Entscheidung des Landgerichts durch ein klageabweisendes Sachurteil (Endurteil), das die Klage als unbegründet abweist, erfolgte verfahrensfehlerhaft; richtigerweise hätte das Landgericht ein klageabweisendes Versäumnisurteil nach § 330 ZPO erlassen müssen.
aa) Der Kläger war vor dem LG München II im Termin am 24.09.2018 säumig.
bb) Die nach Abgabe beim Landgericht München II rechtshängige Klage war zulässig; insbesondere war der Gegenstand des Rechtsstreits hinreichend individualisiert (§ 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO).
(1) Wird eine Klage rechtshängig, die nicht § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO entspricht, also über keine oder eine unzureichende Begründung verfügt (…) und bessert der Kläger trotz eines Hinweises nicht nach, wird die Klage als unzulässig abgewiesen (…). Die Klageabweisung als unzulässig erfolgt unabhängig davon, ob der Kläger zum Termin erscheint oder nicht; Säumnis spielt also keine Rolle (…).
(2) Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen, ist streitig, ob das Fehlen der Anspruchsbegründung (§ 697 Abs. 1 Satz 1 ZPO) zur Unzulässigkeit der Klage führt.
Das ist nach der starken Auffassung in der Literatur der Fall (…). Nach der Gegenauffassung liegt mit Blick auf die Rechtshängigkeit des Mahnverfahrens dagegen kein Fall der nicht ordnungsgemäßen Klageerhebung vor, weshalb die Klage auch nicht unzulässig ist (…).
Nach Auffassung des Senats ist im Einzelfall zu prüfen, ob die Angaben im Mahnbescheid ausreichen, dem Begründungserfordernis des § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zu genügen (…); ist dies der Fall, führt das Fehlen einer Anspruchsbegründung nicht zu Unzulässigkeit der Klage. Dies folgt aus diesen Erwägungen:
Nach Abgabe des Mahnverfahrens an das Streitgericht wird das Verfahren dort mit Eingang der Akten anhängig (§ 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO) und (ggf. sogar rückwirkend, § 696 Abs. 3 ZPO), rechtshängig (…). Die Frage muss daher lauten, ob über diesen rechtshängigen (Klage-)Anspruch eine Sachentscheidung (zu der auch das Versäumnisurteil nach § 330 ZPO gehört …) ergehen kann. Dies richtet sich danach, ob die Sachurteilsvoraussetzungen (…) vorliegen. Dazu muss der eingeklagte Anspruch hinreichend bestimmt, also „individualisierbar“ sein (siehe § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO). Die Schlüssigkeit des Klagevortrags oder gar das Angebot von Beweismitteln durch den Kläger zählen dagegen nicht zum notwendigen Inhalt der Klageschrift und zur danach gebotenen Individualisierung (…)
Entscheidend ist danach, ob der Mahnbescheid vom 15.11.2017 den Klageanspruch bereits so eindeutig beschreibt, dass er auch in einer Klage (ohne weitere Ausführungen zur Begründung des Anspruchs) bestimmt („individualisierbar“) geltend macht wird (…).
Dies war vorliegend der Fall, weshalb die Klage zur Zeit der mündlichen Verhandlung vor dem LG München II zulässig war. Zwischen den Parteien bestehen außer dem hier streitigen Rechtsanwaltsvertrag keine weiteren (Rechts-)Beziehungen. Die im Mahnbescheid aufgeführten Rechnungen waren dem Beklagten zuvor übersandt worden. Aus den darauf Bezug nehmenden Angaben des Mahnbescheids konnte eindeutig entnommen werden, welche anwaltliche Vergütungsforderung für welche anwaltliche Vertretung der Kläger vom Beklagten fordert. Auch eine Klageschrift (§ 253 Abs. 1 ZPO) nur mit den Informationen aus den beiden Rechnungen zusammen mit den Angaben des Mahnbescheids hätte die Klageforderung vor dem Hintergrund des einfach strukturierten Sachverhalts ausreichend bestimmt vorgetragen.
cc) Die Entscheidung durch klageabweisendes Sachurteil war unzulässig; das Landgericht München II wendet § 330 ZPO fehlerhaft nicht an. Es hat stattdessen durch kontradiktorisches Urteil entschieden, obwohl es – auf der Grundlage seiner zutreffenden Rechtsauffassung zur Zulässigkeit der Klage – (nur) durch Versäumnisurteil hätte entscheiden können.
(1) Das Landgericht geht bei Säumnis des Klägers - unausgesprochen - von einem Wahlrecht des Gerichts oder des Gegners zwischen einem Versäumnisurteil (VU) nach § 330 ZPO und einem klageabweisenden Endurteil (EU) bei einer unschlüssigen Klage aus, wenn der Kläger säumig ist.
Dies findet im Gesetz keine Stütze, da bei Säumnis des Klägers bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 330 ZPO durch VU oder nach Lage der Akten entschieden wird (…). Die Kommentierungen zu § 697 ZPO, die bei Fehlen einer Anspruchsbegründung von der Zulässigkeit der Klage ausgehen, gehen nicht näher darauf ein, in welcher Urteilsform bei Säumnis des Klägers zu entscheiden ist.
Der dort zu findende Hinweis, dass bei Fehlen einer Anspruchsbegründung die Klage „im Termin“ als unbegründet abzuweisen ist, setzt das Verhandeln beider Parteien und damit die Anwesenheit des Klägers voraus. Damit ist aber keine Aussage dazu verbunden, dass eine solche Klage (ggf. wahlweise) bei Säumnis des Klägers mit Endurteil als unbegründet abgewiesen werden kann. Dies richtet sich vielmehr nach den Dispositionsmöglichkeiten, die §§ 330 ff. ZPO dem Beklagten eröffnen.
Nach dem in der ZPO verfolgten Prinzip der Mündlichkeit wird der in den vorbereitenden Schriftsätzen enthaltene Tatsachenvortrag erst mit dem Verhandeln der Partei zum Gegenstand des Verfahrens (§§ 137 Abs. 1, 3 Satz 1, 297 Abs. 1, 2 ZPO). Soweit eine Partei säumig ist oder nicht verhandelt (§ 333 ZPO), trägt sie nicht vor, mögen entsprechende Ausführungen in Schriftsätzen vorliegen oder nicht. Das Fehlen einer Anspruchsbegründung des Klägers spielte daher im Termin am 24.09.2018 keine entscheidende Rolle, da auch eine vorhandene Klage- oder Anspruchsbegründung ohne Bedeutung gewesen wäre. Zudem lagen die Voraussetzungen eines Endurteils nach § 300 Abs. 1 ZPO am 24.09.2018 nicht vor, da der Rechtsstreit ohne eine streitige mündliche Verhandlung noch nicht im Sinne einer Klageabweisung als unbegründet „entscheidungsreif“ ist. Gegen die Möglichkeit eines Sachurteils in Form eines Endurteils spricht schließlich auch die Vorschrift des § 331a ZPO. Diese soll in der Säumnissituation statt des VU eine alternative Möglichkeit der Sachentscheidung durch ein kontradiktorisches Urteil mit instanzbeendender Wirkung schaffen (…). Auch dies zeigt, dass ein einseitiges Verhandeln keine Grundlage für instanzbeendendes Endurteil nach § 300 Abs. 1 ZPO sein kann.
(2) Das Endurteil vom 24.09.2018 stellt auch kein kontradiktorisches Urteil nach Lage der Akten (§ 331a ZPO) dar.“