Kommt nach dem 70. DJT eine umfassende Überarbeitung der ZPO?

Die Diskussionen der Abteilung Prozessrecht des 70. DJT sind an der Politik offenbar nicht spurlos vorübergegangen. Nachdem Bundesjustizminister Heiko Maas erst jüngst seine Vorstellungen von einer Reform des Zivilprozessrechts dargelegt hat, berichtet die aktuelle Ausgabe der DRiZ (Nikolas Hill) ausführlich von einem durch eine Arbeitsgruppe der Landesjustizministerien erarbeiteten Papier mit Vorschlägen für einen „effektiveren Zivilprozess“.

Die m. E. wichtigsten Vorschläge auf einen Blick:

  • Eine Anhebung der Zuständigkeitsgrenze in § 23 GVG (auf 10.000 EUR) und eine Anhebung der Grenzen in § 511 ZPO/§ 495a ZPO (auf 2.000 EUR).
  • Eine „Spezialisierung“ der Justiz durch Einführung von Spezialkammern für Bau-, Arzthaftungs- und Kapitalanlagesachen. Die Landesregierungen sollen ermächtigt werden, durch Verordnung bei den jeweiligen Gerichten Spezialkammern zu bilden. Zudem soll eine „Zweibesetzung“ ermöglicht werden.
  • Eine deutliche Erweiterung der Möglichkeiten, ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden. § 128 Abs. 3 ZPO soll auf Nebenforderungen ausgedehnt werden und eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren gem. § 128 Abs. 2 ZPO soll auch möglich sein, wenn nur eine Partei zustimmt und schon vorher mündlich verhandelt wurde.
  • Eine Vereinfachung und Verbesserung des Rechtsmittelsystems. Alle Rechtsmittel sollen in Zukunft (wie heute schon im FamFG) beim entscheidenden Gericht einzulegen sein. Zudem sollen alle Beschwerden einheitlich einer Zweiwochenfrist unterworfen sein.
  • Eine Vorschusspflicht für die Berufungsinstanz, durch die verhindert werden soll, dass Berufungen lediglich eingelegt werden, um die Rechtskraft hinauszuzögern.
  • Die Möglichkeit, ein Versäumnisurteil auch dann zu erlassen, wenn zwar eine Verteidigungsanzeige, nicht aber eine Klageerwiderung eingeht.
  • Eine Einschränkung von § 411 Abs. 3 ZPO dahingehend, dass eine Anhörung des Sachverständigen nur noch dann notwendig ist, wenn mit dem Antrag substantiiert zum schriftlichen Sachverständigengutachten vorgetragen wird.
  • Eine Änderung des Rechts der Richterablehnung, damit ein Termin auch durchgeführt werden kann, wenn der Ablehnungsantrag zwischen Ladung und Verhandlung gestellt wird (um damit z.B. eine Verlegung des Termins zu erzwingen).
  • Die Möglichkeit, Zeugen von Amts wegen per Video zu vernehmen.
  • Eine Abschaffung/Modifizierung des selbständigen Beweisverfahrens, anstelle dessen Gerichtsvollzieher oder Notare öffentliche Urkunden über bestimmte Feststellungen errichten können sollen.
  • Eine Ausweitung der Ausnahmen in § 313a ZPO. Wird das Urteil am Ende der Sitzung verkündet und werden die wesentlichen Entscheidungsgründe ins Protokoll aufgenommen, soll ein „vollständiges Urteil" nur erforderlich sein, wenn tatsächlich ein Rechtsmittel gegen das Urteil eingelegt wird.

Die Vorschläge ergeben auch in ihrer Summe wohl keine grundlegende Reform des heutigen Zivilprozessrechts. Die Auswirkungen auf die Praxis dürften aber trotzdem ganz erheblich sein, insbesondere bei einer Anhebung der Wertgrenzen.

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Der Beitrag wurde am 19.02.2015 überarbeitet.

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