KG: Kostenfeststellungsantrag anstelle Erledigungserklärung unzulässig

Erklären die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend für erledigt, entscheidet das Gericht über die Kosten „unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes nach billigem Ermessen“. Zu einer Beweisaufnahme kommt es dann nicht mehr; bleibt das Ergebnis einer Beweisaufnahme offen, werden häufig die Kosten gegeneinander aufgehoeb. Deshalb stellt sich immer wieder die Frage, ob die klagende Partei dies vermeiden kann, indem sie nach Eintritt des erledigenden Ereignisses den Klageantrag dahingehend umstellt, dass sie die Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits begehrt. Mit der Frage hat sich kürzlich auch das Kammergericht mit Beschluss vom 26.06.2018 – 8 W 2/18 befasst.

Sachverhalt

Die prozessuale Konstellation ist ein wenig verworren und soll deshalb nur vereinfacht dargestellt werden: Die Parteien waren durch einen Gewerberaummietvertrag verbunden, den die Klägerin wegen Zahlungsverzugs fristlos gekündigt hatte. In der Folge nahm sie die Beklagte auf Räumung in Anspruch. Während des Rechtsstreits räumte die Beklagte das Objekt. Die Klägerin erklärte den Rechtsstreit daraufhin nicht für erledigt, sondern änderte ihre Klage dahingehend, dass sie nunmehr beantragte, das Gericht möge feststellen, dass sich der Rechtsstreit durch den Auszug der Beklagten erledigt habe. In der daraufhin vom Landgericht anberaumten Verhandlung erklärt die Klägerin den Rechtsstreit schließlich doch für erledigt, die Beklagte schloss sich dem an. Die Kosten des Rechtsstreits legte das Landgericht gem. § 91a ZPO der Beklagten auf und begründete dies u.a. damit, dass die Klageänderung zulässig gewesen sei. Dagegen wendete sich die Beklagten und begehrte, die Kosten der mündlichen Verhandlung (die Terminsgebühren) der Klägerin aufzuerlegen. Denn diese habe die Kosten für den Termin unnötigerweise verursacht, indem sie zunächst ihren Klageantrag unzulässigerweise in einen Kostenfeststellungsantrag geändert hätte. Sie hätte stattdessen sofort den Rechtsstreit für erledigt erklären müssen.

Durch die Räumung der Beklagten war die Klage hier nachträglich unbegründet geworden. Die Klägerin hatte deshalb nicht die Klage zurückgenommen (das wäre ungünstig, weil sie dann gem. § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO die Kosten hätte tragen müssen) und auch nicht den Rechtsstreit für erledigt erklärt (was grundsätzlich richtig gewesen wäre) . Die Folgen einer Erledigungserklärung richten sich bekanntlich danach, wie die beklagte Partei reagiert:
  • Schließt sie sich der Erledigungserklärung an (oder äußert sich nicht), entscheidet das Gericht über die Kosten gem. § 91a ZPO nach Ermessen durch Beschluss; eine Beweisaufnahme findet nicht statt, eine mündliche Verhandlung ist gem. § 128 Abs. 4 ZPO entbehrlich.
  • Schließt sich die beklagte Partei der Erledigungserklärung nicht an, wird die Erledigungserklärung umgedeutet in eine Klageänderung dahingehend, dass die klagende Partei begehrt, das Gericht möge feststellen, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet gewesen sei und dass nach Rechtshängigkeit Erledigung eingetreten sei. Mit diesem geänderten Antrag ist der Prozess dann fortzusetzen, mündlich zu verhandeln und ggf. auch Beweis zu erheben.
Hier befürchtete die Klägerin, dass das Gericht für den Fall einer Erledigungserklärung (und hätte sich die Beklagte dieser angeschlossen) die Kosten gegeneinander aufheben würde. Das wollte sie vermeiden, weil sie sich sicher war, dass sie den Prozess in der Hauptsache gewonnen hätte. Deshalb hatte sie ihre Klage dahingehend geändert, dass das Gericht nun feststellen möge, dass die Klage ursprünglich zulässig und begründet war und durch den Auszug der Beklagten unbegründet geworden war. Dieser Antrag sollte Ihnen bekannt vorkommen - sie hatte damit quasi selbst die Folgen einer einseitigen Erledigungserklärung herbeiführen wollen. Daraufhin hatte das Gericht einen Termin zur mündlichen Verhandlung anberaumt, in dem die Klägerin dann doch den Rechtsstreit für erledigt erklärt und sich die Beklagte dem angeschlossen hatte. Das Landgericht hatte deshalb die Kosten durch Beschluss gem. § 91a ZPO der Beklagten auferlegt. Diese wendete sich dagegen und meinte, die Klageänderung sei schon unzulässig gewesen. Und nur deshalb sei die mündliche Verhandlung erforderlich gewesen. Wenn also die Klägerin mit einem unzulässigen Antrag eine mündliche Verhandlung provoziere, müsse sie auch die dadurch entstandenen Mehrkosten tragen.

Entscheidung

Das Kammergericht hat die Kostenentscheidung teilweise abgeändert und dem Kläger die Kosten auferlegt, soweit diese durch den Termin entstanden seien. Denn dieser sei nur aufgrund der Klageänderung in einen Kostenfeststellungsantrag entstanden. Und dieser sei unzulässig:

„Dem Landgericht kann nicht darin gefolgt werden, dass die Änderung der Klage in die Feststellung eines materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs sachdienlich i.S. von § 263 ZPO war und – sofern nicht doch noch die Erledigungserklärung abgegeben worden wäre, wozu das Landgericht insoweit in Widerspruch zu einen Ausführungen die Klägerin im Termin veranlasst hat – begründet gewesen wäre. Der Kläger hat kein „Wahlrecht“, ob er nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit seine Klage für erledigt erklärt oder einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend macht.

Die prozessualen Kostenregelungen der §§ 91 ff ZPO sind in Bezug auf die Kosten des laufenden Rechtsstreits vorrangig und grundsätzlich abschließend. Die zivilprozessualen Kostenvorschriften stellen gegenüber den materiell-rechtlichen Anspruchsgrundlagen Ausnahmevorschriften dar, die an ein bestehendes Prozessrechtsverhältnis anknüpfen und die Kostentragungspflicht unabhängig vom Verschulden nach dem Maß des Unterliegens regeln (…). Kostengrundentscheidungen sind allein nach Maßgabe der ZPO über die Kostentragung zu treffen (…). Die sich daraus ergebende „prozessuale Kostenlast“ ist von einem möglichen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch zu unterscheiden (…). So trägt der Kläger etwa ungeachtet eines etwaigen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs die Kosten des Rechtsstreits nach § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO, wenn er die Klage wegen Erledigung nach Rechtshängigkeit zurücknimmt (…).

Der Kläger, dessen Klage sich nach Rechtshängigkeit erledigt hat, ist zur Vermeidung der Klageabweisung gehalten, die Erledigung zu erklären. Schließt sich der Beklagte an, kommt es zur Kostenentscheidung nach § 91a ZPO in einem summarischen Verfahren, bleibt die Erledigung einseitig, ist sie durch streitiges Urteil festzustellen (…).

Die ZPO bietet keinen Anhaltspunkt dafür, dass der Gesetzgeber dem Kläger ein Wahlrecht einräumen wollte, ob er eine Kostenentscheidung nach § 91 a ZPO (nämlich im Fall der Anschließung des Beklagten) „riskiert“ oder lieber durch Klageänderung eine materiell-rechtliche Prüfung des Gerichts im Gewand einer Kostenfeststellungsklage, ggf. auch mit Beweisaufnahme, erzwingt. Im Gegenteil ist gerade aus der Existenz des § 91a ZPO (neben der des § 99 ZPO) abzuleiten, dass Streitigkeiten über die Kosten möglichst eingeschränkt werden sollen (…). Der Kläger hat daher kein Wahlrecht zwischen Erledigungserklärung und Feststellung der (materiell-rechtlichen) Kostentragungspflicht (…).

Die von einigen Stimmen in der Literatur geforderte Wahlmöglichkeit des Klägers (…) lässt sich nach Auffassung des Senats mit dem geltenden Recht nicht begründen. Sie missachtet die Entscheidung des Gesetzgebers, im Fall der Erledigung mit § 91 a ZPO ein unkompliziertes und flexibles Verfahren zur Regelung der Kostenfrage bereitzustellen, in dem im Übrigen Fragen der materiellen Kostentragungspflicht unter Billigkeitsgesichtspunkten ebenfalls berücksichtigt werden können. Dass der Beklagte die Möglichkeit hat, durch Verweigerung der Erledigungserklärung eine streitige Entscheidung zu erzwingen, während der Kläger im Fall der Anschließung das summarische Verfahren nach § 91 a ZPO hinnehmen muss, ist Folge der Prozesslage und lässt von einer „Schlechterstellung“ des Klägers nicht sprechen. Mit § 91a ZPO wurde gerade ein Instrument geschaffen, um dem Kläger bei Erledigung nach Rechtshängigkeit die Kostenlast, die ihn nach § 91 ZPO oder § 269 Abs. 3 S. 2 ZPO treffen würde, zu ersparen; die einseitige Erledigungserklärung gemäß § 264 Nr. 2 ZPO als Antrag auf Feststellung der Erledigung auszulegen, dient wiederum der Schließung der Schutzlücke, welche nach § 91a ZPO bei Verweigerung der Erledigungserklärung des Beklagten verbleibt (…).

Der Hinweis auf die Rechtsprechung des BGH zur Umstellung der Klage in eine Klage auf materiell-rechtliche Kostenerstattung bzw. eine solche Feststellung (…) verfängt nicht. Diese Rechtsprechung betrifft (gerade) Ausnahmefälle, in denen der Kläger mangels Eingreifens von Kostenregelungen der ZPO keine Möglichkeit hätte, einer Kostenlast zu entgehen, und es unzumutbar und prozessunökonomisch wäre, ihn auf eine gesonderte Kostenklage zu verweisen (…). Im Falle der Erledigung nach Rechtshängigkeit ist der Kläger hingegen durch § 91a ZPO und hilfsweise eine Erledigungsfeststellungsklage hinreichend geschützt.

Entgegen der Ansicht des Landgerichts folgt ein allgemeines Wahlrecht des Klägers auch nicht aus den Wertungen des Urteils BGHZ 197, 147 = NJW 2013, 2201 (…). Der BGH hatte sich in der genannten Entscheidung allein damit zu befassen, ob in dem Fall, dass die Klage vor Rechtshängigkeit zur Erledigung kommt und daraufhin zurückgenommen wird, einer gesonderten, auf materielles Recht gestützten Kostenerstattungsklage im Hinblick auf die Möglichkeit eines Kostenantrags nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO das Rechtsschutzbedürfnis fehlt. Er hat dies verneint, weil der Weg des Kostenantrags nicht in vergleichbarer Weise sicher und wirkungsvoll sei, mit der Folge, dass der Kläger die Wahl hat, ob er den geltend gemachten materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch im Wege des Kostenantrags nach § 269 Abs. 3 S. 3, Abs. 4 ZPO verfolgen oder deswegen eine - gesonderte - Kostenerstattungsklage erheben will (…).

Aus dieser Argumentation lässt sich nicht ableiten, dass es ein Kläger stets und auch im Anwendungsbereich des § 91 a ZPO in der Hand haben muss, ein summarisches Verfahren über die Kostenfrage zu verhindern, indem er die Klage auf eine materiell-rechtliche Kostenfeststellung umstellt. Insbesondere hat der BGH auch nicht ausgesprochen, dass der Kläger eine Umstellung im laufenden Verfahren vornehmen könne. Vielmehr gibt die Entscheidung ein Wahlrecht (nur) zwischen dem Kostenantrag nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO und der gesonderten Kostenklage. Ersterer führt aber gerade zu einem § 91 a ZPO nachgebildeten summarischen Verfahren (s. BGH a.a.O., Tz 13). Auch die Entscheidung des BGH billigt dem Kläger somit nicht zu, die Anwendung als nachteilig empfundener prozessualer Kostenvorschriften durch eine Klageumstellung im Ausgangsverfahren zu umgehen.“

Anmerkung

Die Argumentation des Kammergerichts überzeugt m.E. nicht. Denn das Gericht geht schon von einem unzutreffenden Regel-Ausnahme-Verhältnis aus: Die Frage kann nicht sein, ob sich aus der ZPO die Zulässigkeit eines Kostenfeststellungsantrags ergibt. Denn innerhalb der allgemeinen prozessualen Regelungen bestimmen die Parteien ihre Anträge selbst. Und nach den allgemeinen Regelungen bestehen gegen die Zulässigkeit kaum Bedenken: Die Klageänderung ist gem. § 263, 264 Ziff. 2 ZPO sachdienlich und auch ein Antrag auf Feststellung eines erldigenden Ereignisses der ZPO nicht fremd, wie sich aus dem Rechtsinstitut der einseitigen Erledigungserklärung ergibt. Und auch das erforderliche Feststellungsinteresse wird man kaum verneinen können, steht der klagenden Partei doch sonst keine Möglichkeit zu, ihren Kostenerstattungsanspruch geltend zu machen und das summarische Verfahren zu vermeiden. Fraglich kann deshalb allein sein, ob sich aus der ZPO die Unzulässigkeit eines solchen Antrags ergibt. Und dafür gibt es m.E. kaum Anhaltspunkte, insbesondere lässt sich dies § 91a ZPO nicht entnehmen. Und die Argumentation in der vom Kammergericht zitierten Entscheidung des Bundesgerichtshofs zu § 269 Abs. 3 Satz 3 ZPO spricht ebenfalls eher für die Zulässigkeit eines Kostenfeststellungsantrags (so auch Elzer in seiner Anmerkung, NJW 2013, 2203, der allerdings eine Ausnahme erwägt, wenn das Ergebnis der summarischen Prüfung sicher vorhersehbar ist; s. zum Thema auch ausführlich diesen Beitrag hier im Blog). Der vom Kammergericht zu entscheidende Fall eignete sich leider nicht dafür, die Rechtsbeschwerde zuzulassen (weil § 91a ZPO bekanntlich nur eine summarische Prüfung erlaubt). Bleibt zu hoffen, dass die Frage trotzdem zeitnah durch den Bundesgerichtshof geklärt wird. tl;dr: Der Kläger hat kein Wahlrecht, ob er nach Eintritt eines erledigenden Ereignisses nach Rechtshängigkeit die Klage für erledigt erklärt oder (zwecks Vermeidung einer Kostenentscheidung nach § 91a ZPO) einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch geltend macht. (Leitsatz des KG) Anmerkung/Besprechung, Kammergericht, Beschluss vom 26.02.2018 – 8 W 2/18. Foto: Ansgar Koreng / CC BY-SA 3.0 (DE), 141019 Kammergericht Berlin, CC BY-SA 3.0 DE