Statthaftigkeit einer Herausgabeverfügung („Gorch Fock“)
- die Sicherungsverfügung i.S.d. § 935 ZPO, die der Sicherung eines Anspruchs dient und einen Verfügungsanspruch (den zu sichernden Anspruch, der nicht auf Geld gerichtet sein darf) und einen Verfügungsgrund (die besondere Eilbedürftigkeit) und
- die Regelungsverfügung i.S.d. § 940 ZPO, die der vorläufigen Regelung eines Zustands dient und ein streitiges Rechtsverhältnis und einen Verfügungsgrund voraussetzt.
Entscheidung
Das OLG hat die Kosten der Antragstellerin auferlegt:„Gem. § 935 ZPO sind einstweilige Verfügungen in Bezug auf den Streitgegenstand zulässig, wenn zu besorgen ist, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Als Grund, die Herausgabe einer Sache im Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, kommen in erster Linie die drohende Verschlechterung, Veräußerung (Doppelverkauf), Belastung, Zerstörung, Verarbeitung oder das Beiseiteschaffen der geschuldeten Sache in Frage (…).
Wie vom Landgericht richtig zugrunde gelegt, kommt der Erlass einer auf Herausgabe gerichteten einstweiligen Verfügung ausnahmsweise auch dann in Betracht, wenn der Antragsteller die Sache so dringend benötigt, dass allein ihre Sicherstellung oder Sequestrierung zur Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nicht ausreicht, weil er auf die Sache zur Abwendung einer unmittelbar gegenwärtigen Existenzgefährdung, zur Behebung einer anders nicht zu bewältigenden, existentiellen Notlage, zur Vermeidung eines die Existenz gefährdenden, unverhältnismäßigen Schadens oder zur Abwendung eines endgültigen, irreparablen Rechtsverlustes dringend angewiesen ist (…).
Voraussichtlich wäre es der Antragstellerin nicht gelungen, diese besonderen Voraussetzungen, die den Erlass einer Leistungsverfügung zu ihren Gunsten hätten rechtfertigen können, darzulegen und glaubhaft zu machen. Eine drohende Verschlechterung oder Entziehung der Gorch Fock hat die Antragstellerin nicht substantiiert dargelegt, sondern ihren Antrag im Wesentlichen auf das dringende Bedürfnis der ungestörten Fortsetzung der Instandsetzungsarbeiten gestützt, weil andernfalls zum einen mit wesentlichen erhöhten Kosten zu rechnen sei und zum anderen ein erheblicher Expertiseverlust bei der Bundesmarine sowie Defizite in der Ausbildung zukünftiger Marineoffiziere drohten.
Es erscheint im Rahmen der summarischen Prüfung zweifelhaft, dass diese erheblichen Nachteile gleich einer existenziellen Notlage als so schwerwiegend einzustufen gewesen wären, dass es gerechtfertigt gewesen wäre, das Interesse der Antragsgegnerin an der Geltendmachung des von ihr dargelegten Zurückbehaltungsrechts vollständig in den Hintergrund treten zu lassen. (…)
Die Gorch Fock ist bereits seit 2015 nicht mehr einsatzbereit, wobei die bereits eingetretene Verzögerung der Instandsetzungsarbeiten um mehrere Jahre nicht von der Antragsgegnerin zu vertreten ist.
Zusätzlich wäre bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen gewesen, dass die Geltendmachung eines Zurückbehaltungsrechts durch die Antragsgegnerin – anders als von der Antragstellerin angenommen – nicht deshalb ausgeschlossen gewesen wäre, weil bei der Antragstellerin kein Ausfallrisiko bestehe. Das Zurückbehaltungsrecht dient vielmehr anerkanntermaßen nicht nur der Sicherung des Anspruchs, sondern auch dazu, auf den Schuldner Druck auszuüben, dass dieser seine Verbindlichkeit erfüllt (…). Die Wirkung des Zurückbehaltungsrechts als Druckmittel würde durch die Herausgabeanordnung gegen Sicherheitsleistung geschwächt, so dass jeweils eine Einzelfallabwägung zu treffen ist, ob die berechtigten Interessen des Antragsgegners hinreichend gewahrt sind.
Im vorliegenden Fall wäre noch hinzugekommen, dass die Antragsgegnerin als Besitzerin, die Verwendungsersatzansprüche gegen die Eigentümerin einer Sache geltend macht, im Falle der Aufgabe der betroffenen Sache – auch im Falle der gerichtlichen Verurteilung (…) – Gefahr gelaufen wäre, ihre Ansprüche gem. § 1002 BGB binnen eines Monats nach Herausgabe der Sache zu verlieren.
Das Interesse der Antragsgegnerin hätte daher voraussichtlich nicht hinter den Schutz der Antragstellerin zurückzutreten gehabt, so dass kein Ausnahmefall für den begehrten Erlass einer Leistungsverfügung, die mit der Vorwegnahme der Hauptsache einherginge, anzunehmen gewesen wäre.“