BGH: Keine Rechtskraftwirkung zwischen einfachen Streitgenossen
- Im Vorprozess hatte der Geschädigte die Klinik und den Beklagten dieses Rechtsstreits auf Zahlung in Anspruch genommen; die Klinik und der Beklagte waren dabei einfache Streitgenossen (§§ 59, 60 ZPO). Das Gericht hatte die die Beklagten im Ergebnis als Gesamtschuldner (§ 840 BGB) verurteilt, an den Geschädigten 4.000 EUR zu zahlen. Zweifel an der Schuldfähigkeit des Beklagten (§ 828 Abs. 3 BGB) hatte das Gericht dabei nicht.
- Nach Abschluss jenes Rechtsstreits zahlte der Haftpflichtversicherer der Klinik den Betrag an den Geschädigten. Dadurch waren die Ansprüche der Klinik auf Gesamtschuldnerausgleich gem. § 86 VVG auf den Kläger übergegangen. Dieser nahm nun den Beklagten im Wege des Gesamtschuldnerausgleichs in Anspruch, und zwar nicht nur in Höhe der Hälfte (§ 426 Abs. 1 BGB), sondern in voller Höhe. Denn im Innenverhältnis haftete der Beklagte gem. § 840 Abs. 2 Var. 1 BGB allein, weil sich der Anspruch gegen die Klinik aus § 832 Abs. 2 BGB ergab. Der Beklagte verteidigte sich auch im Folgeprozess damit, er sei nicht schuldfähig i.S.d. § 828 Abs. 3 BGB gewesen und hafte deshalb nicht.
Entscheidung
Der VI. Zivilsenat hat das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen:„Das Berufungsgericht war der Auffassung, im vorliegenden Verfahren an das rechtskräftige Urteil des Landgerichts Mühlhausen im Vorprozess auch insoweit gebunden zu sein, als dort „mit Rechtskraft für und gegen die Parteien fest[gestellt]“ worden sei, dass der Beklagte schuldhaft gehandelt habe und nicht ersichtlich sei, dass ihm nach § 828 Abs. 3 BGB die Verantwortlichkeit fehle.
Das ist unzutreffend; die vom Berufungsgericht angenommene Bindung besteht nicht.
Anders als das Berufungsgericht meint, folgt diese Bindung nicht aus § 325 Abs. 1 ZPO. Sie scheitert bereits an den subjektiven Grenzen der Rechtskraft.
Nach § 325 Abs. 1 ZPO wirkt ein rechtskräftiges Urteil grundsätzlich nur für und gegen die Parteien und deren Rechtsnachfolger. Nimmt der Kläger mehrere Beklagte im Wege subjektiver Klagehäufung in Anspruch und sind die Beklagten einfache Streitgenossen, so ist dabei auf die einzelnen Prozessrechtsverhältnisse abzustellen (…). Zwischen den Streitgenossen entfaltet das Urteil – von den Fällen der Streitverkündung zwischen den Streitgenossen im Rahmen ihrer Wirkung abgesehen – mithin keine Rechtskraftwirkung (…).
Werden also – wie hier im Vorprozess – zwei einfache Streitgenossen als Gesamtschuldner rechtskräftig zur Zahlung von Schadensersatz verurteilt, so steht ihre Haftung zwar im Verhältnis zum Gläubiger, nicht aber zwischen den Streitgenossen selbst fest. Jedem der im Vorprozess rechtskräftig als Gesamtschuldner verurteilten Streitgenossen bleibt im nachfolgenden Rechtsstreit um den Innenausgleich damit die Möglichkeit, die im Vorprozess bejahte Verbindlichkeit dem Gläubiger gegenüber und damit auch das Bestehen eines Gesamtschuldverhältnisses überhaupt in Frage zu stellen“