(Neue) Rechtsunsicherheit bei öffentlichen Zustellungen gem. § 185 Ziff. 3 ZPO?
Entscheidung
Das OLG stellt zunächst fest, dass die Voraussetzungen für eine öffentliche Zustellung gem. § 185 Ziff. 3 ZPO schon deshalb nicht vorgelegen hätten, weil angesichts der Zustellung im Parallelverfahren eine Zustellung unter Vermittlung der deutschen Botschaft in Ägypten hätte versucht werden müssen. (Das scheint angesichts der Regelung in Art. 14 HZÜ durchaus überzeugend.) Außerdem sei die öffentliche Zustellung aber auch unwirksam, weil die Beklagte über diese nicht per Email in Kenntnis gesetzt worden sei:„Darüber hinaus leidet die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils an einem Verfahrensmangel, weil eine informelle Information der Beklagten unterblieben ist. Dieses Erfordernis folgt aus dem Gebot des rechtlichen Gehörs, welches sich aus Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 6 Abs. 1 EMRK und Art. 47 Abs. 2 EU-Grundrechtecharta ergibt, und dem nur dann ausreichend Rechnung getragen wird, wenn die Beklagte von der öffentlichen Zustellung informell in Kenntnis gesetzt wird.
Angesichts der besonderen Bedeutung des Grundrechts auf rechtliches Gehör wird daher überwiegend die Auffassung vertreten, dass eine informelle Information des Zustelladressaten – sei es durch einfachen Brief, durch Übermittlung per Kurier, per Telefax oder per Email – neben der öffentlichen Zustellung zwingend erforderlich ist, wenn – wie vorliegend – die Anschrift oder sonstige Kontaktmöglichkeiten bekannt sind (...). Dies gilt erst recht, wenn es sich um eine langjährige Geschäftsbeziehung handelt, in der regelmäßig auf den üblichen Wegen des internationalen kaufmännischen Geschäftsverkehrs per Fax oder Email kommuniziert worden war (...).
Zum Teil wird in der Literatur demgegenüber die Auffassung vertreten, dass eine informelle Information des Adressaten einer öffentlichen Zustellung zwar wünschenswert wäre, dies jedoch keine Wirksamkeitsvoraussetzung der öffentlichen Zustellung sei, da § 185 ZPO dies nicht vorschreibe (...). Ein solches Verständnis dürfte allerdings mit der Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs nicht vereinbar sein.
Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs soll die ordnungsgemäße Erfüllung der Zustellvorschriften gewährleisten, dass der Adressat Kenntnis von dem zuzustellenden Schriftstück nehmen und seine Rechtsverteidigung darauf einrichten kann (...). Ob schon jeder Zustellungsmangel zur Verfehlung dieses verfassungsrechtlich gebotenen Zwecks führt, hat das Bundesverfassungsgericht in seiner grundlegenden Entscheidung vom 26.10.1987 (NJW 1988, 2361) zwar offengelassen. Es hat jedoch die Zustellfiktion der öffentlichen Bekanntmachung im Fall der öffentlichen Zustellung wegen unbekannten Aufenthalts (§ 185 Abs. 1 ZPO…) nur dann für verfassungsrechtlich gerechtfertigt angesehen, „wenn eine andere Art der Zustellung aus sachlichen Gründen nicht oder nur schwer durchführbar ist, sei es wegen des unbekannten Aufenthalts des Zustellungsempfängers, sei es wegen der Vielzahl oder Unüberschaubarkeit des Kreises der Betroffenen“ (BVerfG a.a.O). Verfassungsrechtlich unbedenklich ist die Zustellfiktion des § 185 ZPO danach nur dann, wenn eine Kenntnisnahme des Zustellempfängers auf anderen Wegen ersichtlich keinen oder nur geringen Erfolg verspricht.
Hieraus folgt für den Fall des bekannten Aufenthalts des Zustelladressaten im Ausland, der mit modernen Kommunikationsmitteln ohne weiteres erreicht werden kann und diese zudem in der Vergangenheit erkennbar regelmäßig im Geschäftsverkehr genutzt hat, zwingend das Gebot, ihn im Fall einer öffentlichen Zustellung über diese Informationswege von dem Verfahren und insbesondere von einem vollstreckbaren Titel in Kenntnis zu setzen. Dies gebietet eine verfassungskonforme Auslegung des § 185 ZPO. Denn nur so kann im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesgerichtshofs der Zweck der Zustellvorschriften gewährleistet werden.“