(Kein) Titel „gegen Unbekannt“?
Entscheidung
Der VI. Zivilsenat hat den Beschluss auf die Rechtsbeschwerde hin aufgehoben und die Sache zurückverwiesen, weil der Beschluss unter Missachtung des gesetzlichen Richters (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG) ergangen sei:„Der Einzelrichter hat bei Rechtssachen, die grundsätzliche Bedeutung haben oder besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweisen, das Verfahren gemäß § 568 Satz 2 ZPO zwingend dem Kollegium zu übertragen.
Bejaht er – wie hier – mit seiner Entscheidung, die Rechtsbeschwerde zuzulassen, die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, entscheidet er aber zugleich in der Sache als Einzelrichter, so ist seine Entscheidung objektiv willkürlich und verstößt gegen das Verfassungsgebot des gesetzlichen Richters, was vom Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu beachten ist (…).“
Und das ist tatsächlich einer der absoluten „Klassiker“ in der Rechtsprechung des BGH, gefühlt gibt es dazu jeden Monat einen neuen Beschluss auf der Homepage des BGH. Interessanter ist die ausführliche „Segelanleitung“:„Für das weitere Verfahren weist der erkennende Senat darauf hin, dass die Bezeichnung des Beklagten in der Klageschrift nicht den Anforderungen des § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO genügt und die Klageschrift deshalb nicht zugestellt werden kann.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss eine Klageschrift unter anderem die Bezeichnung der beklagten Partei enthalten. Dies erfordert zwar in der Regel seine namentliche Bezeichnung (…).
Ausnahmen sind aber denkbar. Wird eine Partei ohne Angabe ihres Namens so klar bezeichnet, dass keine Zweifel an ihrer Identität und Stellung aufkommen können und sie sich aus der Parteibezeichnung für jeden Dritten ermitteln lässt, so reicht dies aus (…).
Diese Voraussetzungen sind im Streitfall nicht erfüllt. Wer sich hinter dem Aliasnamen „Mario Hummels“ verbirgt, ist – sogar den Ermittlungsbehörden – unbekannt. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde lässt sich dem nicht entgegenhalten, es handle sich um die Person, die im Zeitpunkt der Einreichung der Klage Inhaber des genannten Kontos bei der P.-Bank war.
Zwar mag es zutreffen, dass – wie die Rechtsbeschwerde meint – „nur eine – und keine andere – Person“ dieses Konto unter dem Aliasnamen „Mario Hummels“ eröffnet haben kann und sich hierbei eines gefälschten Postidentformulars bedient haben muss. Zur Identifikation dieser Person reicht die Kenntnis, dass sie unter falschem Namen ein bestimmtes Konto eröffnet hat, aber nicht. Wie die strafrechtlichen Ermittlungen gezeigt haben, lässt sich daraus für einen Dritten gerade nicht ersehen, um wen es sich beim (anonym gebliebenen) Kontoinhaber handelt. Ungewissheit besteht dabei nicht nur über den richtigen Namen dieser Person, sondern auch über ihre Identität.
b) Der erkennende Senat sieht keinen durchgreifenden Grund, das sich aus § 253 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ergebende Erfordernis der Bezeichnung der Partei in Bezug auf die Besonderheiten des vorliegenden Falles (weiter) zu lockern.
aa) Ein solcher Grund ergibt sich (…) nicht daraus, dass den Kläger an der fehlenden den Beklagten identifizierenden Parteibezeichnung kein Verschulden trifft, sondern er die Identität des Schädigers nicht ermitteln konnte (…); dass die fehlende Identifizierbarkeit darauf beruht, dass derjenige, der in Anspruch genommen werden soll, seine Identität arglistig geheim hält, ist dabei ohne Belang (…).
In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Zulassung eines „Titels gegen Unbekannt“ oder eines „Titels gegen den, den es angeht“ mit der geltenden Rechtslage nicht vereinbar ist (…). Ein Verzicht auf die gesetzliche Vorgabe der namentlichen, das heißt identifizierenden, Bezeichnung des Schuldners im Vollstreckungstitel (oder in der Vollstreckungsklausel) kann allein der Gesetzgeber regeln (…). Muss die beklagte Partei aber unabhängig davon, ob dies möglich ist und welche Hinderungsgründe gegebenfalls bestehen, im Titel identifizierbar bezeichnet sein, so gilt dies notwendigerweise auch für die Klageschrift. Denn durch sie wird festgelegt, wer am Prozessrechtsverhältnis beteiligt ist und gegen wen das spätere Urteil ergeht.
bb) Auch der Umstand, dass mit dem – im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren gesicherten - Konto ein Vermögensgegenstand vorhanden ist, der dem Schädiger zuzurechnen ist, ändert am Erfordernis der identifizierenden Bezeichnung des Beklagten in der Klageschrift nichts. Dies folgt schon daraus, dass die Zulässigkeit einer auf Zahlung gerichteten Klage nach allgemeinen Grundsätzen davon unabhängig ist, ob und gegebenenfalls welches Vermögen für eine spätere Zwangsvollstreckung zur Verfügung steht. Im Übrigen setzt gemäß § 750 Abs. 1 ZPO auch die Zwangsvollstreckung voraus, dass der Vollstreckungsschuldner aus dem ihr zugrundeliegenden Titel heraus sicher identifizierbar ist (…)
c) Ist die Partei, gegen die sich die Klage richten soll, in der Klageschrift nicht hinreichend bezeichnet, so scheidet mangels Identifizierbarkeit auch eine Zustellung der Klage an sie aus (…).“