Öffentliche Zustellung gem. § 185 Nr. 2 ZPO ohne vorherige Auslandszustellung?
Entscheidung
Das Landgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag zurückgewiesen und den Einspruch als unzulässig verworfen, weil die Einspruchsfrist nicht gewahrt sei:„1. Die Anordnung der öffentlichen Zustellung gemäß § 185 Nr. 2 ZPO ist zulässigerweise erfolgt.
Die Voraussetzungen der öffentlichen Zustellung beurteilen sich vorliegend auf der Grundlage des seit dem 01.11.2008 geltenden, reformierten Rechts (MoMiG). Demnach kann gemäß § 185 Nr. 2 ZPO eine öffentliche Zustellung erfolgen, wenn bei juristischen Personen, die zur Anmeldung einer inländischen Anschrift zum Handelsregister verpflichtet sind, eine Zustellung weder unter der eingetragenen Anschrift noch unter der im Handelsregister eingetragenen Anschrift einer für die Zustellungen empfangsberechtigten Person oder einer ohne Ermittlungen bekannten anderen inländischen Anschrift möglich ist. […]
Mit der Änderung des § 185 Nr. 2 ZPO sollte u.a. erreicht werden, dass der Zustellungsveranlasser von über die Einsichtnahme in das Handelsregister hinausgehenden Recherchen bezüglich einer zustellungsfähigen Anschrift befreit werden sollte […] Selbst dann, wenn dem Zustellungsveranlasser oder dem Gericht eine ausländische Anschrift eines Vertretungsberechtigten der juristischen Person bekannt sein sollte, kann der Weg über § 185 Nr. 2 ZPO beschritten werden […].
Die öffentliche Zustellung behält (lediglich) insofern ultima ratio Charakter, als vorrangig an eine inländische Anschrift eines gesetzlichen Vertreters oder Bevollmächtigten zugestellt werden muss, wenn diese dem Gericht oder der die Zustellung veranlassenden Partei ohne Recherche bekannt ist. Die strenge Regelung sollte Streit über die Wirksamkeit der Zustellung vermeiden und Auslandszustellungen ausschließen […]
Der Gesetzgeber verfolgte mit der Schaffung des in § 185 Nr. 2 ZPO normierten Tatbestands das Ziel, eine öffentliche Zustellung an Gesellschaften in Missbrauchsfällen zu erleichtern. Auf der Grundlage des reformierten Rechts obliegt es den betroffenen juristischen Personen, zur Vermeidung einer öffentlichen Zustellung ihre Erreichbarkeit sicherzustellen.
Dieser Obliegenheit hat die Beklagte zuwider gehandelt, indem sie unter Verstoß gegen § 8 Abs. 4 Nr. 1, 10 Abs. 1 GmbHG in der Handelsregisteranmeldung keine aktuelle inländische Anschrift angegeben hat, unter der Zustellungen erfolgen konnten […]
2. Das erkennende Gericht hat den Anforderungen des § 185 Nr. 2 ZPO genüge geleistet, indem es Versuche unternommen hat, an die Beklagte […] an nach dem Erlass des Versäumnisurteils klägerseits genannten potentiellen inländischen Zustellmöglichkeiten der Beklagten selbst bzw. ihres Geschäftsführers […] zuzustellen. Unter diesen […] inländischen Anschriften war eine Zustellung nicht möglich.
Soweit die Auffassung vertreten wird, eine öffentliche Zustellung hätte nicht erfolgen dürfen, ohne zuvor den Versuch unternommen zu haben, auch unter der im Ausland angegebenen Adresse der Beklagten bzw. deren Geschäftsführers zuzustellen, steht diese Rechtsauffassung mit dem geltenden Recht nicht im Einklang […].
Nach dem klaren Wortlaut der Vorschrift besteht keine Verpflichtung, eine Zustellung im Ausland zu bewirken. Dies gilt im Dienste der mit der Novellierung des Gesetzes verfolgten Intention, die öffentliche Zustellung in Missbrauchsfällen zu erleichtern, selbst dann, wenn die ausländische Anschrift eines Vertreters bekannt ist […]
3. Der Antrag der Beklagten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß den §§ 233 ff. ZPO wegen der Versäumung der Einspruchsfrist ist zurückzuweisen […]
Der Antrag ist […] unbegründet, da die Partei nicht ohne ihr Verschulden verhindert war, von der Klage bzw. dem Erlass des Versäumnisurteils nebst Bestimmung der Einspruchsfrist Kenntnis zu erhalten. Ein Verschulden liegt schon deshalb vor, weil die Beklagte – entsprechend den obigen Ausführungen – ihrer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung entgegen gehandelt hat, eine inländische Geschäftsanschrift zu unterhalten, an der Zustellungen bewirkt werden können.“
Zum Schluss geht das Gericht noch auf den Wechsel der Verfahrensart ein:„Schließlich ist auch der rechtlichen Beurteilung der Beklagten insoweit entgegen zu treten, als diese die Auffassung vertritt, dass der von der Kammer vorgenommene Wechsel der Bestimmung eines frühen ersten Termins zur mündlichen Verhandlung gemäß § 275 ZPO hin zur Anordnung des schriftlichen Vorverfahrens gemäß § 276 ZPO zur Unzulässigkeit des erlassenen Versäumnisurteils führt.
Dabei kann dahingestellt bleiben, ob derartige Überlegungen angesichts der fehlenden Einhaltung der Einspruchsfrist gegen das Versäumnisurteil und der nicht gewährten Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung dieser Frist überhaupt noch Auswirkungen haben können.
Gleichwohl führt der angegriffene Wechsel der Verfahrensarten nicht zur Unzulässigkeit des Erlasses des Versäumnisurteils, auch wenn er gesetzlich nicht vorgesehen ist. Besteht wie vorliegend nach einer fehlgeschlagenen Zustellung einer Klageschrift das Bedürfnis nach Abänderung, so widerspräche es Praktikabilitätsgründen bzw. dem Beschleunigungsgrundsatz, an einer sich als unzweckmäßig erweisenden Verfahrensauswahl festzuhalten […], insbesondere wenn, wie hier, der frühe Termin noch nicht abgehalten war.“