OLG Frankfurt zur Aufrechnung mit Schiedsspruch im Vollstreckbarerklärungsverfahren

Das Oberlandesgericht Frankfurt hat sich in zwei jüngeren Entscheidungen mit der Frage befasst, unter welchen Voraussetzungen im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs die Aufrechnung zulässig ist (Beschluss vom 13. Juli 2020 – 26 Sch 18/19 - „Franchise“ und Beschluss vom 07. September 2020, 26 Sch 2/20 - „Fischdosenfüllmaschine“). Zudem hatte das OLG über den Einwand des Prozessbetrugs zu entscheiden. Die beiden Entscheidungen decken die wesentlichen Konstellationen ab, die auftreten können, wenn die Antragsgegnerin im Verfahren über die Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs der Vollstreckbarerklärung mit einer Aufrechnungserklärung entgegentritt.

Sachverhalte

1. Franchise-Entscheidung

In der Franchisevertrag-Entscheidung beantragte die Antragstellerin, einen Schiedsspruch der Deutschen Institution für Schiedsgerichtsbarkeit (DIS) für vollstreckbar zu erklären, mit dem die Antragsgegnerin verurteilt worden war, an die Antragstellerin EUR 92.222,09 zu zahlen. Dagegen verteidigte sich die Antragsgegnerin, und stellte zwei Forderungen zur Aufrechnung, die beide ihren Ursprung in einem parallelen Schiedsverfahren zwischen den Parteien hatten, in dem die Antragsgegnerin obsiegt hatte, da die Schiedsklage der Antragstellerin abgewiesen worden war. Zum einen erklärte die Antragsgegnerin die Aufrechnung mit Kosten in Höhe von EUR 11.515,94, die der Einzelschiedsrichter im Parallelschiedsverfahren zu ihren Gunsten festgesetzt hatte. Zum anderen leitete sie aus den Gründen der Entscheidung des Schiedsrichters im Parallelverfahren einen Schadensersatzanspruch in Höhe von EUR 229.035, 24 her (über den bislang aber kein Schiedsspruch ergangen war), mit dem sie gleichfalls die Aufrechnung erklärte.

2. Fischdosenfüllmaschine-Entscheidung

In der zweiten Entscheidung stritten die Parteien über die Lieferung einer Fischdosenfüllmaschine nach Schweden, die zu einem ICC-Schiedsverfahren führte. Nach dem Schiedsspruch in diesem Verfahren standen der Antragstellerin Zahlungsansprüche in Höhe von insgesamt EUR 246.245,12 gegen die Antragsgegnerin zu. Das Schiedsgericht war zu dem Ergebnis gekommen, dass die Fischdosenfüllmaschine mangelhaft gewesen sei und die Antragstellerin zurecht die Aufhebung  (avoidance) des Vertrages erklärt habe. Die Antragsgegnerin befinde sich auch mit der Demontage und dem Abtransport der Maschine bei der Antragstellerin in Schweden im Verzug. Die Antragsgegnerin verteidigte sich dem gegenüber mit der Erklärung der Aufrechnung mit einem Schadensersatzanspruch, den sie auf die Behauptung stützte, die zurückgegebene Maschine sei grob fahrlässig beschädigt, beziehungsweise zerstört worden, insbesondere in Folge einer unsachgemäßeren Lagerung im Freien. Diese habe zur Folge gehabt, dass salzwasserhaltige Meeresluft elektronische Bauteile der Steuerung und der Robotik zerstörte und die aus Edelstahl erstellen Bauteile korrodiert seien. Die Maschine habe allenfalls noch einen Schrottwert. Ihr stehe daher ein Anspruch aus unerlaubter Handlung nach § 823 BGB zu. Außerdem behauptete sie, dass die der Gegenseite zugesprochenen Anwaltskosten nur durch einen mutmaßlichen Prozessbetrug der Antragstellerin zustande gekommen sein könnten. Die Gegenseite habe Anwaltskosten in Höhe von ca. EUR 450.000 geltend gemacht, wo hingegen bei ihr nur Gesamtkosten von ca. EUR 150.000 angefallen seien.

Schiedssprüche, gleich ob es sich um inländische oder ausländische Schiedssprüche handelt, bedürfen nach § 1060, 1059 ZPO der Vollstreckbarerklärung durch ein staatliches Gericht. Im Verfahren auf Vollstreckbarklärung eines Schiedsspruchs sind über die Aufhebungsgründe des § 1059 Abs. 2 ZPO hinaus auch die Einwendungen zugelassen, die an sich zum Anwendungsbereich der Vollstreckungsgegenklage nach § 767 ZPO gehören (siehe BGH, Beschluss vom 8. November 2007 - III ZB 95/06). Es hätte nämlich keinen Sinn, wenn in solchen Fällen der Antragsgegner die Vollstreckbarerklärung hinnehmen und wegen seiner Einwendungen einen neuen Rechtsstreit nach § 767 ZPO anhängig machen müsste.

Entscheidungen

1. Ausgangslage

Die Ausgangslage fasst das Oberlandesgericht Frankfurt im Franchise-Beschluss (26 Sch 18/19) wie folgt zusammen:

„Im Vollstreckbarerklärungsverfahren sind zwar - über die gesetzlichen Aufhebungsgründe hinaus (für inländische Schiedssprüche § 1060 Abs. 2, § 1059 Abs. 2 ZPO; für ausländische Schiedssprüche § 1061 Abs. 1 ZPO in Verbindung mit dem Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche, BGBl. 1961 II S. 121) - sachlich-rechtliche Einwendungen gegen den im Schiedsspruch festgestellten Anspruch grundsätzlich zulässig. Beruft sich jedoch eine Partei vor dem staatlichen Gericht zu Recht darauf, dass die einer Aufrechnung zu Grunde liegende bestrittene Forderung ihrerseits einer Schiedsabrede unterliege, darf die Aufrechnung nicht berücksichtigt werden (vgl. etwa BGH, Beschluss vom 30.09.2010 - III ZB 57/10 -, NJW-RR 2011, 213, 214).“

Eine Schiedsabrede enthalte zwar ein vertragliches Verbot, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entscheiden sollte. Dieses Verbot habe aber Grenzen:

“Das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, hat seinen Grund darin, dass sonst das staatliche Gericht rechtskräftig (§ 322 Abs. 2 ZPO) über Forderungen entscheiden könnte, über die nach dem Willen der Parteien nur das Schiedsgericht entscheiden soll.

Eine Aufrechnung ist also nur insoweit möglich, als die Aufrechnungsforderungen nicht der Schiedsabrede unterliegen oder das Schiedsgericht über diese bereits entschieden hat. Auf die verschiedenen, zur Aufrechnung gestellten Forderungen angewendet, bedeutete dies:

2. Aufrechnung mit Kostenerstattungsansprüchen aus Parallelverfahren

Die im Franchise-Beschluss zur Aufrechnung gestellten Kostenerstattungsansprüche aus einem Parallelverfahren zwischen den gleichen Parteien durften demnach wirksam zur Aufrechnung gestellt werden:

„Dementsprechend besteht dieses Verbot nicht mehr, wenn das Schiedsverfahren durchgeführt und mit einem abschließenden Schiedsspruch über die schiedsbefangene (Gegen-)Forderung beendet wurde. Denn die von den Parteien gewollte Entscheidungskompetenz des Schiedsgerichts wurde gewahrt, das Ziel der Schiedsvereinbarung erreicht (...). So liegt es hier. Das parallele Schiedsverfahren … ist einschließlich des Kostenfestsetzungsverfahrens abgeschlossen.“

Zudem musste  -  in entsprechender Anwendung des § 767 Abs. 2 ZPO - die zur Aufrechung gestellte Forderung nach dem Schiedsverfahren entstanden sein.  Auch diese Anforderung sei hier erfüllt, da die Aufrechnungslage hinsichtlich des aus diesem Verfahren herrührenden Kostenerstattungsanspruchs nicht bereits während des Schiedsverfahrens bestand.

3. Aufrechnung mit behaupteten Schadensersatzansprüche auf Grund des im Parallelverfahren festgestellten Sachverhalts

Die aus dem Sachverhalt eines Parallelverfahrens hergeleiteten Schadensersatzansprüche hingegen konnten nicht wirksam zur Aufrechnung gestellt werden. Für das Gericht bestand kein Zweifel daran, dass die zur Aufrechnung gestellte - und von der Antragstellerin darüber hinaus bestrittene – Forderung ihrerseits der Schiedsvereinbarungen aus den Franchise-Verträgen unterlag.

4. Aufrechnung mit deliktischem Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung der Fischdosenfüllmaschine

Die Aufrechnung mit dem behaupteten deliktischen Schadensersatzanspruch wegen Beschädigung respektive Zerstörung der Fischdosenfüllmaschine erklärte das Oberlandesgericht für unzulässig, weil auch dieser der Schiedsvereinbarung unterliege. Die Schiedsklausel in den zugrundeliegenden Allgemeinen Geschäftsbedingungen lautete wie folgt:

„Alle sich in Verbindung mit oder aus dem Vertrag ergebenen Streitigkeiten werden nach der Schiedsordnung der Internationalen Handelskammer von einem oder mehreren Schiedsrichter/-n entschieden, der/die gemäß dieser Ordnung ernannt werden.

All disputes rising out of or in connection with the contract shall be finally settled under the rules of arbitration of the international chamber of commerce by one or more arbitrators appointed in accordance with the set rules."

Die Antragsgegnerin hatte sich darauf berufen, dass diese in den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Antragstellerin getroffene Schiedsabrede den zur Aufrechnung gestellten deliktischen Schadenersatzanspruch nicht erfasse, da es sich nicht um einen vertraglichen Anspruch handele. Das Oberlandesgericht legte diese Schiedsklausel aus und kam zu dem Ergebnis, dass es auch den behaupteten deliktischen Anspruch erfasse:

"Das aus dem Wortlaut abzuleitende weite Verständnis der Schiedsklausel stimmt auch mit dem objektiven Inhalt und typischen Sinn überein, die der Formularklausel nach den Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen Vertragspartners unter Abwägung der Interessen der regelmäßig beteiligten Verkehrskreise bei verständiger Würdigung zukommen. Es entspricht im Rahmen von zwischen Unternehmern geschlossenen internationalen Warenkauf und -lieferverträgen insbesondere typischerweise der Interessenlage beider Vertragspartner, dass sich eine weit gefasste Schiedsklausel - ohne eine Differenzierung nach der Rechtsnatur der in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen - auf alle mit dem Vertragsverhältnis zusammenhängenden Ansprüche erstreckt. Denn es liegt regelmäßig im Interesse der beteiligten Unternehmen, eine Aufspaltung der Zuständigkeiten zwischen einem Schiedsgericht und einem staatlichen Gericht zu vermeiden, da sich aus einer Zuständigkeitsspaltung typischerweise weitere Streitigkeiten sowie eine Verzögerung der Entscheidungsfindung und ein erheblicher Mehraufwand für die Parteien ergeben können (...)."

5. Einwand des Prozessbetrugs hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten

Auch mit dem Einwand, dass die Antragstellerin die vom Schiedsgericht zugesprochenen Rechtsanwaltskosten nur durch eine betrügerische Abrede dahingehend, dass die angeblichen Zahlungen nur im Obsiegensfall zu leisten seien, wenn die Antragsgegnerin sie zu erstatten habe, drang die Antragsgegnerin nicht durch. Zwar komme hier grundsätzlich ein Verstoß gegen den ordre public in Frage,

"wenn die Erwirkung des Schiedsspruchs oder das Gebrauchmachen von diesem Titel nach den für die Anwendung des § 826 BGB auf ein Urteil staatlicher Gerichte geltenden Maßstäben als sittenwidrige vorsätzliche Schädigung zu werten ist."

Allerdings stelle sich hier die Frage der Durchbrechung der Rechtskraft, da das Schiedsgericht den angeblich betrügerisch herbeigeführten Kostenerstattungsanspruch ja zugesprochen hatte. Eine Durchbrechung der Rechtskraft sei aber in Fällen wie diesem, in dem das Erschleichen eines Schiedsspruchs durch eine strafbare Handlung behauptet wird, nur unter den Voraussetzungen des § 582 ZPO gerechtfertigt. Erforderlich für die Durchbrechung der dem Schiedsspruch gemäß §  1055 ZPO zukommenden Rechtskraft sei, dass die Partei ohne ihr Verschulden außer Stande war, den Einwand des Erschleichens des Schiedsspruchs durch eine strafbare Handlung bereits in dem Schiedsverfahren geltend zu machen:

„Nach diesem Maßstab ist die Antragsgegnerin im Vollstreckbarerklärungsverfahren mit dem von ihr erhobenen Einwand des Prozessbetruges ausgeschlossen, weil sie im Schiedsverfahren Gelegenheit hatte, sich zu dem von der Antragstellerin als Schiedsbeklagter unter Vorlage eines Kostennachweises geltend gemachten Anspruch auf Erstattung von Rechtsanwaltskosten Stellung zu nehmen (...) Unabhängig davon, ob sich die Antragsgegnerin im Schiedsverfahren auch ausdrücklich auf einen (versuchten) Prozessbetrug der Antragstellerin hinsichtlich der Anwaltshonorare berufen hat, war sie danach im Schiedsverfahren jedenfalls nicht ohne ihr Verschulden gehindert, sämtliche die Höhe der Rechtsanwaltskosten betreffenden Einwendungen - einschließlich des Einwandes eines (versuchten) Prozessbetruges - bereits im Schiedsverfahren zu erheben und diesbezüglich entsprechend ihrer Vorgehensweise im vorliegenden Verfahren auch Beweis anzubieten.

Es besteht vor diesem Hintergrund im Vollstreckbarerklärungsverfahren kein Anlass, den von der Antragsgegnerin (erneut) erhobenen Einwand des Prozessbetruges nochmals zu prüfen.“

Anmerkung

Das Gericht hat – wie auch sonst – die Schiedsabrede auch im Vollstreckbarerklärungsverfahren nicht von Amts wegen zu berücksichtigen. Der Antragsteller muss daher hinsichtlich zur Aufrechnung gestellter Gegenforderungen die Einrede der Schiedsabrede (§ 1032 ZPO) erheben. Nur dann darf die Aufrechnung nicht berücksichtigt werden. Die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung reichte im Franchise-Fall nicht aus, die im Schiedsspruch titulierte Forderung in voller Höhe zu tilgen. Die Anrechnung der zur Aufrechnung gestellten Gegenforderung auf die verschiedenen im Schiedsspruch titulierten Forderungen richtete sich nach §§ 366, 367 BGB: Erst wenn die gemäß § 366 BGB bevorrechtigte Schuld (in der Reihenfolge des § 367 BGB) vollständig getilgt ist, ist die Aufrechnung auf die nachrangige Schuld (wiederum in der Reihenfolge des § 367 BGB) anzurechnen.

Ist die Aufregung erfolgreich, so lautet der Tenor eines Anerkennungsbeschlusses unter Berücksichtigung der zulässigen Aufrechnung:

„Der in dem Schiedsverfahren zwischen der Antragstellerin als Schiedsklägerin sowie der Antragsgegnerin als Schiedsbeklagte durch den/die Schiedsrichter (…) am (…) erlassene Schiedsspruch der (…) mit nachfolgendem Tenor:

Die Schiedsbeklagte wird verurteilt, an die Schiedsklägerin EUR (…) zuzüglich Zinsen in Höhe von neun Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus (…) seit dem (…) zu bezahlen.

wird für vollstreckbar erklärt mit der Maßgabe, dass die Forderung in Höhe von (…)  bereits erloschen ist.“

Das Oberlandesgericht Köln (Urteil vom 7. August 2015 - 1 U 76/15) hatte einen Fall zu entscheiden, in dem sich eine Schiedspartei tatsächlich einen materiell falschen Kostenerstattungsanspruch erschlichen hatte. Die obsiegende Partei hatte im Schiedsverfahren Rechtsanwaltskosten in Höhe von EUR 460.ooo gelten gemacht und zugesprochen bekommen, ihren Anwälten tatsächlich aber nur EUR 150.000 gezahlt. Die unterlegene Partei machte den Differenzbetrag vor den staatlichen Gerichten geltend. Das Oberlandesgericht Köln gab der Klage, gestützt auf § 826 BGB statt. Es entschied, die ursprüngliche Schiedsabrede zischen den Parteien umfasse Ansprüche aus  §§ 823 Abs. 2 BGB, 263 Abs. 1 StGB und § 826 BGB nicht (ablehnend hierzu Jerczynski, SchiedsVZ 2015, 300)

tl;dr: Beruft sich eine Partei vor dem staatlichen Gericht zu Recht darauf, dass die einer Aufrechnung zu Grunde liegende bestrittene Forderung ihrerseits einer Schiedsabrede unterliege, darf die Aufrechnung im Verfahren über die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines Schiedsspruchs nicht berücksichtigt werden.

Anmerkung/Besprechung, Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 13. Juli 2020 - 26 Sch 18/19 - "Franchise" und Beschluss vom 7. September 2020 - 26 Sch 2/20 - "Fischdosenfüllmaschine"