OLG Frankfurt: Keine Annexkompetenz für Kostenerstattungsanspruch im Vollstreckbarerklärungsverfahren

Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hat ihren Ursprung in einer klassischen Konstellation der Handelsschiedsgerichtsbarkeit: Die Parteien hatten in einem Warenlieferungsvertrag die Zuständigkeit des „International Commercial Arbitration Court at the Ukrainian Chamber of Commerce and Industry“ für Streitigkeiten aus dem Vertrag vereinbart.

Sachverhalt

Auf der Grundlage dieser Schiedsvereinbarung leitete die Antragstellerin gegen die Antragsgegnerin ein Schiedsverfahren ein, das mit einem Schiedsspruch zu ihren Gunsten endete. Die Antragstellerin forderte sodann die in Deutschland ansässige Antragsgegnerin außergerichtlich zur Zahlung des ihr im Schiedsspruch zugesprochenen Betrags auf, wofür ihr Anwaltskosten entstanden. Nachdem die Antragsgegnerin nicht zahlte, beantragte die Antragstellerin beim Oberlandesgericht Frankfurt die Vollstreckbarerklärung des ukrainischen Schiedsspruchs und machte außerdem einen Anspruch auf Ersatz der für die Zahlungsaufforderung entstandenen außergerichtlichen Anwaltskosten geltend.

Aus einem Schiedsspruch kann in Deutschland nicht unmittelbar vollstreckt werden, dafür ist vielmehr gem. §§ 1060, 1061 ZPO eine Vollstreckbarerklärung durch ein staatliches Gericht erforderlich. Hier war das Oberlandesgericht Frankfurt am Main für die Entscheidung über die beantragte Vollstreckbarerklärung des ausländischen Schiedsspruchs gemäß §§ 1025 Abs. 4, 1062 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 ZPO zuständig, weil die Antragsgegnerin, gegen die vollstreckt werden sollte, ihren Sitz im Bezirk des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main hatte.

Entscheidung

Das Oberlandesgericht erklärte den Schiedsspruch antragsgemäß für vollstreckbar, da die formellen Voraussetzungen nach § 1064 Abs. 1 3 ZPO vorlagen und Gründe für die Versagung der Anerkennung nach Art. VI UN-Übereinkommen vom 10. Juni 1958 über die Anerkennung und Vollstreckung von Schiedssprüchen (UNÜ, New Yorker Abkommen) weder vorgetragen noch – soweit von Amts wegen zu berücksichtigen – ersichtlich waren. Das Gericht verwarf aber den weitergehenden Antrag auf Zahlung deutscher außergerichtlicher Anwaltskosten als unzulässig, da es an der funktionellen Zuständigkeit des Oberlandesgerichts fehle:

„Die durch § 1062 Abs. 1 ZPO begründete Eingangszuständigkeit des Oberlandesgerichts in Schiedssachen bezieht sich nicht auf einen wegen der beim Versuch einer vorgerichtlichen Durchsetzung der im Schiedsspruch zugesprochenen Forderungen entstandenen Anwaltskosten. Es kommt wegen der gesetzlichen Beschränkung der Zuständigkeit des Oberlandesgerichts auf Entscheidungen über bestimmte schiedsverfahrensrechtlicher Angelegenheiten entgegen der von der Antragstellerin vertretenen Rechtsauffassung auch keine erweiternde Auslegung des § 1062 Abs. 1 ZPO im Sinne einer „Annexkompetenz“ in Betracht.“

Das Oberlandesgericht Frankfurt am Main ließ sich insbesondere nicht vom Argument der Antragstellerin überzeugen, dass das Interesse an einer Geringhaltung von Gerichts- und Anwaltskosten ausreiche, eine Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zu begründen.

Anmerkung

Wie das Oberlandesgericht anmerkt, ist das Verfahren auf Vollstreckbarerklärung eines (ausländischen) Schiedsspruchs kein Verfahren der Zwangsvollstreckung, sondern ein Erkenntnisverfahren eigener Art – und zwar gegenständlich beschränkt auf die Frage, ob der Schiedsspruch anzuerkennen und für vollstreckbar zu erklären ist, und dabei inhaltlich wegen des Verbots der „revision au fonds“ beschränkt auf die enumerativ aufgezählten Gründe, aus denen die Anerkennung eines Schiedsspruchs zu versagen ist (§ 1059 Abs. 2 ZPO, basierend auf Art. 34 Abs. 2 UNCITAL-Modellgesetz und Art. V UNÜ). Die Schiedsparteien haben darauf zu achten, dass Kostenerstattungsansprüche aus dem Schiedsverfahren auch durch das Schiedsgericht tituliert werden, entweder im Schiedsspruch selbst oder in einem separaten Kostenschiedsspruch. Die Zuständigkeit für nach Abschluss des Schiedsverfahrens entstandene weitere Anwaltskosten ist selbstständig und unabhängig vom Anerkennungsverfahren zu bestimmen. Der von Antragstellerin geltend gemachte Anspruch auf Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten kann dabei entweder aufgrund der Schiedsvereinbarung vor einem Schiedsgericht gelten zu machen sein, oder aber nach allgemeinen Regeln der Entscheidungszuständigkeit staatlicher Gerichte unterliegen. Das hängt im Einzelfall von der Auslegung der – hier im Sachverhalt des Beschlusses nicht mitgeteilten – Schiedsvereinbarung ab.

tl;dr: Die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts in Schiedssachen nach § 1061 Abs. 1 ZPO begründet keine Annexkompetenz zur Entscheidung über den Anspruch auf den Ersatz außergerichtlicher Anwaltskosten.

Anmerkung/Besprechung, Oberlandesgericht Frankfurt am Main, Beschluss vom 14. April 2020 - 26 Sch 3/20. In kostenrechtlicher Sicht wurde die Entscheidung besprochen von Schneider, SchiedsVZ 2020, 320.