OLG Frankfurt zur Nebenintervention des (D&O-)Haftpflichtversicherers

Eine relativ weit verbreitete Problematik in einem ziemlich speziellen Kontext liegt dem Beschluss des OLG Frankfurt vom 12.05.2015 – 11 W 28/13 zugrunde.

In der Entscheidung geht es um die Befugnis des Haftpflichtversicherers, einer versicherten Person als Nebenintervenient beizutreten, ohne von einer im Versicherungsvertrag eingeräumten Prozessführungsbefugnis Gebrauch zu machen.

Sachverhalt

In der Sache ging es um die Klage einer Gesellschaft, die gegen ihre ehemaligen Geschäftsführer Ansprüche aus § 43 GmbHG geltend machte. Die Muttergesellschaft der Klägerin hatte für ihre Organe und die Organe ihrer Tochtergesellschaften eine D&O-Versicherung abgeschlossen. Außergerichtlich hatte die Versicherung eine Deckung mit der Begründung abgelehnt, die Klägerin sei aus gesellschaftsrechtlichen Gründen gar nicht Tochterunternehmen der Versicherungsnehmerin geworden. Deshalb seien die Beklagten nicht vom Versicherungsschutz erfasst.

Da die Beklagten dies anders sagen, verkündeten sie der Versicherung den Streit, woraufhin die Versicherung dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten beitrat. Die Klägerin hielt diese Nebenintervention für unzulässig. Der Versicherung stehe schon aufgrund des Versicherungsvertrages eine Prozessführungsbefugnis zu, so dass sie kein schützenswertes Interesse an einer Nebenintervention habe. Durch die Nebenintervention werde der Prozess nur unnötig verteuert und aufgebläht.

Das Landgericht ließ die Nebenintervention mit Zwischenurteil zu (§ 71 ZPO), wogegen sich die Klägerin mit der sofortigen Beschwerde wendete.

Haftpflichtversicherer sind aufgrund ihrer Vertragsbedingungen in der Regel befugt, in einem Haftpflichtprozess die Prozessführungsbefugnis zu übernehmen, s. z.B. E.1.2.4 AKB 2008:

„E.1.2.4 Sie müssen uns die Führung des Rechtsstreits überlassen. Wir sind berechtigt, auch in Ihrem Namen einen Rechtsanwalt zu beauftragen. Diesem müssen Sie Vollmacht sowie alle erforderlichen Auskünfte erteilen und angeforderte Unterlagen zur Verfügung stellen.“

Das ist sinnvoll, weil im Falle einer Niederlage wirtschaftlich ja die Versicherung für den Schaden einzustehen hat.

Eine dem vergleichbare Klausel befand sich auch in dem Vertrag der D&O-Versicherung. Von dieser Prozessführungsermächtigung hatte die Versicherung aber keinen Gebrauch gemacht, weil sie ja der Ansicht war, sie sei ohnehin nicht einstandspflichtig. Allerdings war sie sich ihrer Sache offenbar auch nicht vollends sicher und wollte vermeiden, dass die Beklagten verurteilt würden und sie in Regress nehmen würden. Nachdem die Beklagten ihr den Streit verkündet hatten (§ 72 ZPO) war sie dem Rechtsstreit daher als Nebenintervenient auf deren Seite beigetreten. Als Nebenintervenient konnte sie nun zwar auf den Prozess Einfluss nehmen (§ 67 ZPO), sich aber gleichzeitig die „Hintertür“ offen lassen, die Deckung zu versagen.

Die Klägerin hielt dies Vorgehen für unzulässig, wohl da sie befürchtete, im Falle eines Obsiegens der Beklagten gem. § 101 Abs. 1 ZPO nicht nur deren Kosten sondern auch die Kosten der Versicherung tragen zu müssen. Hätte die Versicherung von ihrer Prozessführungsbefugnis Gebrauch gemacht, wären keine zusätzlichen Kosten für die Versicherung angefallen.

Die Klägerin hatte daher beantragt, die Nebenintervention gem. § 71 ZPO zurückzuweisen. Das Landgericht hielt die Nebenintervention jedoch für zulässig und erließ daher ein entsprechendes Zwischenurteil. Gegen dieses Zwischenurteil legte die Klägerin die gem. § 71 Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ein.

Und so musste das OLG entscheiden, ob die Versicherung als Nebenintervenientin weiterhin am Rechtsstreit teilnehmen durfte oder nicht.

Die Frage der Nebeninterventionsbefugnis des Versicherers stellt sich praktisch vor allem bei Verkehrsunfällen, wenn nämlich der Versicherer seine Einstandspflicht mit der Begründung verneint, es handele sich um einen gestellten Unfall. In einem solchen Fall soll der Versicherer befugt sein, dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beizutreten, um zu verhindern, dass gegen den Versicherungsnehmer ein Versäumnisurteil ergeht (s. nur BGH, Urteil v. 15.09.2010 – IV ZR 107/09 Rn. 16; für eine Privathaftpflichtversicherung s. beispielsweise OLG Hamm, Urt. v. 19.04.1996 – 6 U 187/15).

Diese bislang entschiedenen Fälle hatten gemein, dass die Versicherung eine Einstandspflicht unter Berufung auf ein kollusives Zusammenwirken zwischen Kläger und Versicherungsnehmer ablehnte. Die Klägerin vertrat daher hier Ansicht, ein Interesse des Versicherers an einer Nebenintervention sei nur in derartigen Fällen eines kollusiven Zusammenwirkens anzuerkennen, nicht aber, wenn der Versicherer seine Einstandspflicht aus anderen Gründen in Abrede stelle.

Entscheidung

Diese Argumentation überzeugte das OLG Frankfurt aber nicht:

„Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin am Ausgang des Prozesses ergibt sich zunächst aus der Interventionswirkung der Streitverkündung. Würde ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten bejaht, könne sich die Nebenintervenientin nach § 68 ZPO in einem nachfolgenden Deckungsprozess weder darauf  berufen, die [Muttergesellschaft] sei nicht wirksam Gesellschafterin geworden, noch darauf, dass die sonstigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht erfüllt seien.

Dieses rechtliche Interesse entfällt auch nicht dadurch, dass die Nebenintervenientin aufgrund […] der Vertragsbedingungen des Versicherungsvertrages […] unmittelbar für die Beklagten prozessführungsbefugt ist.

Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Nebenintervenientin ihre Einstandspflicht primär deshalb leugnet, weil sie meint, dass ein entsprechendes Versicherungsverhältnis hinsichtlich der Parteien überhaupt nicht bestehe. […] Die Nebenintervenientin würde sich daher mit der Ausübung eines […] Prozessführungsrechts in Widerspruch zu ihrem eigenen Vorbringen setzen, wonach ihr eben gerade kein Prozessführungsrecht zusteht.

Die Nebenintervenientin hätte demnach ohne die Zulassung gerade keine zumutbare Möglichkeit, unter Aufrechterhaltung ihres tatsächlichen und für sie günstigen Rechtsstandpunktes eine – sie infolge der Streitverkündung treffende – Interventionswirkung einer Entscheidung des Inhalts zu verhindern, dass die [Muttergesellschaft] Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin geworden ist und sie selbst damit dem Grunde nach für etwaige Schadensersatzforderungen gegen die Beklagten einstandspflichtig ist.

Die Auffassung der Klägerin, der prozessführungsbefugte Haftpflichtversicherer sei nur bei vermutetem kollusivem Zusammenwirken von Geschädigtem und Versicherungsnehmer, wie beispielsweise Unfallmanipulationen, als Nebenintervenient zuzulassen, findet in der Rechtsprechung keine Stütze. Zwar handelt es sich bei den klägerseits zitierten Fällen, in denen eine Versicherung neben dem Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person als Nebenintervenientin zugelassen wurde, um Fälle eines mutmaßlich gestellten Unfalls […] – eine Beschränkung auf solche Fälle lässt sich diesen Entscheidungen jedoch nicht entnehmen.“

tl;dr: Der Versicherer muss eine im Versicherungsvertrag eingeräumte Prozessführungsbefugnis nicht nutzen. Er kann dem Rechtsstreit auch auf Seiten der (vermeintlich) versicherten Person beitreten und geltend machen, dass kein Versicherungsverhältnis bestehe.

Anmerkung/Besprechung, OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.2015 – 11 W 28/13. Foto: wikimedia.org | gemeinfrei