Die Frage der Nebeninterventionsbefugnis des Versicherers stellt sich praktisch vor allem bei Verkehrsunfällen, wenn nämlich der Versicherer seine Einstandspflicht mit der Begründung verneint, es handele sich um einen gestellten Unfall. In einem solchen Fall soll der Versicherer befugt sein, dem Rechtsstreit als Nebenintervenient beizutreten, um zu verhindern, dass gegen den Versicherungsnehmer ein Versäumnisurteil ergeht (s. nur BGH, Urteil v. 15.09.2010 – IV ZR 107/09 Rn. 16; für eine Privathaftpflichtversicherung s. beispielsweise OLG Hamm, Urt. v. 19.04.1996 – 6 U 187/15).
Diese bislang entschiedenen Fälle hatten gemein, dass die Versicherung eine Einstandspflicht unter Berufung auf ein kollusives Zusammenwirken zwischen Kläger und Versicherungsnehmer ablehnte. Die Klägerin vertrat daher hier Ansicht, ein Interesse des Versicherers an einer Nebenintervention sei nur in derartigen Fällen eines kollusiven Zusammenwirkens anzuerkennen, nicht aber, wenn der Versicherer seine Einstandspflicht aus anderen Gründen in Abrede stelle.
Entscheidung
Diese Argumentation überzeugte das OLG Frankfurt aber nicht:
„Ein rechtliches Interesse der Nebenintervenientin am Ausgang des Prozesses ergibt sich zunächst aus der Interventionswirkung der Streitverkündung. Würde ein Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen die Beklagten bejaht, könne sich die Nebenintervenientin nach § 68 ZPO in einem nachfolgenden Deckungsprozess weder darauf berufen, die [Muttergesellschaft] sei nicht wirksam Gesellschafterin geworden, noch darauf, dass die sonstigen Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruchs nicht erfüllt seien.
Dieses rechtliche Interesse entfällt auch nicht dadurch, dass die Nebenintervenientin aufgrund […] der Vertragsbedingungen des Versicherungsvertrages […] unmittelbar für die Beklagten prozessführungsbefugt ist.
Im vorliegenden Fall besteht die Besonderheit, dass die Nebenintervenientin ihre Einstandspflicht primär deshalb leugnet, weil sie meint, dass ein entsprechendes Versicherungsverhältnis hinsichtlich der Parteien überhaupt nicht bestehe. […] Die Nebenintervenientin würde sich daher mit der Ausübung eines […] Prozessführungsrechts in Widerspruch zu ihrem eigenen Vorbringen setzen, wonach ihr eben gerade kein Prozessführungsrecht zusteht.
Die Nebenintervenientin hätte demnach ohne die Zulassung gerade keine zumutbare Möglichkeit, unter Aufrechterhaltung ihres tatsächlichen und für sie günstigen Rechtsstandpunktes eine – sie infolge der Streitverkündung treffende – Interventionswirkung einer Entscheidung des Inhalts zu verhindern, dass die [Muttergesellschaft] Mehrheitsgesellschafterin der Klägerin geworden ist und sie selbst damit dem Grunde nach für etwaige Schadensersatzforderungen gegen die Beklagten einstandspflichtig ist.
Die Auffassung der Klägerin, der prozessführungsbefugte Haftpflichtversicherer sei nur bei vermutetem kollusivem Zusammenwirken von Geschädigtem und Versicherungsnehmer, wie beispielsweise Unfallmanipulationen, als Nebenintervenient zuzulassen, findet in der Rechtsprechung keine Stütze. Zwar handelt es sich bei den klägerseits zitierten Fällen, in denen eine Versicherung neben dem Versicherungsnehmer bzw. der versicherten Person als Nebenintervenientin zugelassen wurde, um Fälle eines mutmaßlich gestellten Unfalls […] – eine Beschränkung auf solche Fälle lässt sich diesen Entscheidungen jedoch nicht entnehmen.“
tl;dr: Der Versicherer muss eine im Versicherungsvertrag eingeräumte Prozessführungsbefugnis nicht nutzen. Er kann dem Rechtsstreit auch auf Seiten der (vermeintlich) versicherten Person beitreten und geltend machen, dass kein Versicherungsverhältnis bestehe.
Anmerkung/Besprechung, OLG Frankfurt, Beschluss vom 12.05.2015 – 11 W 28/13. Foto: wikimedia.org | gemeinfrei