Entscheidung
Das OLG wendet sich zunächst dem statthaften Rechtsbehelf zu:
„Das zulässige Rechtsmittel gegen die Anordnung einer Akteneinsicht ist gemäß § 23 Abs. 1 EGGVG der Antrag auf gerichtliche Entscheidung.
Benennt ein Beteiligter, wie hier die Beklagte, das Rechtsmittel, dessen sie sich bedienen will, nicht mit dem einschlägigen gesetzlichen Begriff, beschreibt sie es aber zumindest durch die Bezeichnung ihres Rechtsschutzzieles und der angegriffenen Maßnahme, so ist regelmäßig anzunehmen, dass sie denjenigen Rechtsbehelf wählen wollte, den die Rechtsordnung für das aus ihrem Vorbringen zu ersehende Begehren bereit hält […].
Der Antrag ist auch im Übrigen zulässig. Insbesondere wurde er innerhalb der Antragsfrist gemäß § 26 EGGVG (1 Monat) gestellt.“
Der Rechtsbehelf sei aber unbegründet:
„Der Antragsteller hat ein rechtliches Interesse durch Einsichtnahme in die Zivilakten festzustellen, welche Mängelrügen die Beklagte der Klägerin als Subunternehmerin entgegengehalten hat. Die Beklagte selber hat in ihrer Klageerwiderung […] darauf hingewiesen, dass sie wegen der gravierenden Mängel der Auftraggeber (= Antragsteller) einen Betrag in Höhe von 35.000,00 € einbehalten habe. Unter anderem genau diesen vom Antragsteller einbehaltenen Betrag fordert nun die Beklagte vom Antragsteller […] ein. Etwaige Mängelrügen des Antragstellers erachtet sie als unbegründet.
Es besteht damit ein unmittelbarer rechtlicher Bezug des Prozessgegenstandes des ursprünglichen Verfahrens und des Prozessgegenstandes des neu eingeleiteten Verfahrens. Dieser unmittelbare Bezug ist zum Einen bereits in dem Umstand zu sehen, dass es sich bei beiden Verfahren um das Bauvorhaben des Antragstellers an seiner Immobilie handelt, zum anderen aber auch gerade darin begründet, dass es vordringlich jeweils um die Frage der Berechtigung etwaiger Mängelrügen bei der Erstellung des Gewerkes geht.
Gerade weil hierüber […] auch ein Sachverständigengutachten eingeholt wurde, hat der Antragsteller ein berechtigtes Interesse daran, die Feststellungen des Gutachters, der bei ihm vor Ort einen Ortstermin durchgeführt hat, durch Einsichtnahme in die Prozessakten zur Kenntnis zu nehmen. Entgegen den Ausführungen der Beschwerdeführerin geht es gerade nicht um die Details der jeweiligen Vertragsverhältnisse zwischen Subunternehmer und Hauptunternehmer bzw. Hauptunternehmer und Auftraggeber.
Soweit durch die Akteneinsicht zugleich ein Verstoß gegen das informationelle Selbstbestimmungsrecht liegt, ist dieser dem Akteneinsichtsrecht Dritter immanent und vom Gesetzgeber bewusst in Kauf genommen, solange ein berechtigtes Interesse des Dritten vorliegt.“
Anmerkung
Eindeutiger als hier wird ein Fall des „rechtlichen Interesses“ i.S.d. § 299 Abs. 2 ZPO wohl kaum sein können.
Sollte ein Fall einmal nicht so eindeutig sein und ein Akteneinsichtsgesuch abschlägig beschieden werden, besteht übrigens immer noch die Möglichkeit, beim Prozessgericht die Beiziehung der Akten anzuregen (§ 273 Abs. 2 Satz 2 ZPO). Einem solchen Übermittlungsgesuch eines anderen Gerichts wird oft unter Bezugnahme auf Art. 35 Abs. 1 GG entsprochen (wobei die Zulässigkeit der Übermittlung streitig ist, s. BeckOK-ZPO/Bacher, § 299 Rn. 39) .
Hat das Prozessgericht die Akten beigezogen, muss dies selber abwägen, ob und in welchem Umfang es den Inhalt der beigezogenen Akten verwertet (BVerfG, Beschluss vom 06.03.2014 - BvR 3541/13 Rn. 26). Beabsichtigt es, Teile der Akten in seiner Entscheidung zu verwerten (wie hier beispielsweise das Gutachten), muss es den Parteien insoweit Akteneinsicht gewähren (MünchKommZPO/Prütting, 4. Aufl. 2013, § 299 Rn. 6, s. dazu ausführlich auch hier).
tl;dr: Wird im Vorprozess zwischen Hauptunternehmer und Subunternehmer ein Sachverständigengutachten eingeholt, wird der Bauherr in der Regel ein rechtliches Interesse an der Einsicht in die Akten des Vorprozesses haben.
Anmerkung/Besprechung, OLG Oldenburg, Beschluss vom 23.01.2015 – 4 AR 1/15. Foto: Erich Ferdinand/the zebra files | flickr.com |
CC BY 2.0