ZPO-Überblick: Einvernehmliche Prozessbeendigung bei PKH-Bewilligung

Nicht nur für die begünstigte Partei, sondern gerade auch für den Gegner sind einige Besonderheiten zu beachten, wenn einer der am Prozess beteiligten Parteien Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist und die Parteien den Rechtsstreit einvernehmlich beenden wollen. Die wichtigsten Stolperfallen sollen deshalb im Folgenden näher erläutert werden.

Kostenfalle bei verauslagten Gerichtskosten

Am wichtigsten und wesentlichsten dürfte die vor allem den Gegner der PKH-Partei treffende „Kostenfalle“ aus §§ 29, 31 GKG sein (in Familienstreitsachen: §§ 24, 26 FamGKG). Der Gegner der PKH-Partei gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 GKG die von ihm verauslagten Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) aus der Gerichtskasse erstattet, soweit diese der PKH-Partei auferlegt werden. Diese Privilegierung entfällt aber grundsätzlich, wenn die Parteien in einem Vergleich eine Regelung über die Kosten treffen. Denn die Erstattung gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG setzt ausdrücklich voraus, dass die PKH-Partei Entscheidungsschuldner i.S.d. § 29 Ziff. 1 GKG ist (und nicht Übernahmeschuldner i.S.d. § 29 Ziff. 2 GKG). Und die PKH-Partei wird durch die Kostenregelung im Vergleich zum Übernahmeschuldner i.S.d. § 29 Ziff. 2 GKG. Das kann erhebliche Auswirkungen haben, wenn der Gegner der PKH-Partei Gerichtsgebühren eingezahlt oder Sachverständigenkosten verauslagt hat, wie sich an einem einfachen Beispielsfall illustrieren lässt:
Bauunternehmer K verklagt B auf Zahlung restlichen Werklohns in Höhe von 50.000 EUR; B wird Prozesskostenhilfe bewilligt. Über einen Teil der behaupteten Mängel wird ein Sachverständigengutachten eingeholt, für das K einen Auslagenvorschuss von 2.500 EUR zahlt und das zu dem Ergebnis kommt, dass die Arbeiten jedenfalls nicht völlig mangelfrei sind. Um eine weitere Beweisaufnahme zu vermeiden und angesichts der beengten wirtschaftlichen Verhältnisse des B schließen die Parteien schließlich einen sog. „Monte-Carlo-Vergleich“; hinsichtlich der Kosten des Rechtsstreits und des Vergleichs vereinbaren die Parteien eine Kostenaufhebung.
K hat hier Gerichtkosten in Höhe von 4.138 EUR verauslagt (Gerichtsgebühren: 1.638 EUR zzgl. Auslagenvorschuss für das Gutachten: 2.500 EUR). Wegen des Vergleichs bekommt K zwei Gerichtsgebühren (1.092 EUR) erstattet (KV-GKG Ziff. 1211), so dass noch 3.046 EUR Gerichtskosten verbleiben. Beruhte die Kostenaufhebung auf einer Entscheidung des Gerichts, bekäme K gem. § 31 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 GKG die Hälfte der Gerichtskosten, d.h. 1.523 EUR aus der Landeskasse erstattet. Durch den Vergleichsschluss ist B hier aber zum Übernahmeschuldner i.S.d. § 29 Ziff. 2 GKG geworden, so dass § 31 Abs. 3 Satz 1 Hs. 2 ZPO keine Anwendung findet. K ist also darauf verwiesen, die Hälfte der Gerichtskosten gegen den Beklagten festsetzen zu lassen und gegen diesen geltend zu machen – mit vermutlich ziemlich geringen Vollstreckungsaussichten. Diese Folge lässt sich aber vermeiden, wenn die Parteien § 31 Abs. 4 GKG (in Familiensachen: § 26 Abs. 4 FamGKG) beachten: Danach ist § 31 Abs. 3 Satz 1 GKG entsprechend anwendbar, wenn
  1. der Kostenschuldner die Kosten in einem vor Gericht abgeschlossenen oder gegenüber dem Gericht angenommenen Vergleich übernommen hat,
  2. der Vergleich einschließlich der Verteilung der Kosten von dem Gericht vorgeschlagen worden ist und
  3. das Gericht in seinem Vergleichsvorschlag ausdrücklich festgestellt hat, dass die Kostenregelung der sonst zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht.
Jedenfalls an dessen Nr. 3 fehlte es im vorstehend geschilderten Fall, und diese Feststellung kann nach allgemeiner Ansicht nicht nachgeholt werden (s. nur OLG Bamberg, Beschluss vom 19.08.2014 – 2 UF 77/14 Rn. 14). Die entsprechende Feststellung lässt sich am einfachsten in die „Präambel“ des Vergleichs aufnehmen: „… schließen die Parteien auf Vorschlag des Gerichts den folgenden Vergleich, wobei die Kostenregelung der zu erwartenden Kostenentscheidung entspricht:“ (zu Besonderheiten im Güterichterverfahren s. hier). Sieht sich das Gericht zu dieser Feststellung nicht im Stande, kann diese Folge vermieden werden, indem sich die Parteien nur in Hauptsache vergleichen und die Kostenentscheidung ins Ermessen des Gerichts stellen – dann muss das Gericht allerdings über die Kosten entscheiden, wodurch die Reduzierung der Gerichtskosten entfällt.

Gebühren bei Mehrvergleich

Ebenfalls erhebliche Probleme bereiten nach wie vor sog. Mehrvergleiche, also Vergleiche, deren Gegenstand (und Wert) über den Wert des Rechtsstreits hinausgeht. Dabei ist war schon bislang unstreitig, dass die für die jeweilige Instanz bewilligte Prozesskostenhilfe auch ohne besonderen Antrag oder besondere Feststellung die durch einen Vergleichsschluss entstehenden Gebühren abdeckt, dessen Gegenstand (Wert) mit dem Gegenstand des Rechtsstreits identisch ist. Aber auch wenn der Wert des Vergleichs darüber hinausgeht, steht dem oder der Prozessbevollmächtigten gegen die Staatskasse ein Vergütungsanspruch in Höhe sämtlicher in diesem Zusammenhang entstandenen Ansprüche zu (d.h. insbesondere eine volle Terminsgebühr und hinsichtlich der Differenz eine 0,8 Verfahrensdifferenzgebühr gem. Ziff. 3101 Ziff. 2 VV-RVG). Dieser Anspruch ergibt sich nach Ansicht des BGH entweder im Wege der Auslegung oder im Wege eines Erstreckungsbeschlusses (Beschluss vom 17.01.2018 – XII ZB 248/16 Rn. 16 ff.; s. dazu ausführlich hier) – und zwar ohne, dass es eines dahingehenden Bewilligungs-/Erstreckungsantrags und einer inhaltlichen Prüfung bedürfte. Praktisch wird hier allerdings in der Regel ein ausdrücklicher Erstreckungsbeschluss aus Klarstellungsgründen i.d.R. zweckmäßig sein, gerade weil diese Änderung der Rechtslage noch kaum bekannt ist.

Klagerücknahme ohne Kostenantrag

Gerade wenn der beklagten Partei PKH bewilligt worden ist, kann eine einvernehmliche Beendigung des Rechtsstreits auch darin bestehen, dass die klagende Partei die Klage zurücknimmt und die beklagte PKH-Partei keinen Kostenantrag stellt. Das mag als eine relativ elegante Art erscheinen, der klagenden Partei die Klagerücknahme etwas einfacher zu machen und den Rechtsstreit hinsichtlich der auf Beklagtenseite entstandenen Anwaltsgebühren „auf Kosten der Staatskasse“ zu beenden. Um dies zu verhindern, hat der Gesetzgeber jedoch § 269 Abs. 4 Satz 2 ZPO eingeführt, wonach das Gericht von Amts wegen über die Kosten zu entscheiden hat, wenn einem Beklagten Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist. Eine Kostenentscheidung hat daher auch dann zu ergehen, wenn die beklagte Partei keinen Kostenantrag stellt, damit eine Grundlage für das Beitreibungsrecht der Staatskasse besteht (unterbleibt dies, gibt es dagegen allerdings kein Rechtsmittel der Staatskasse). Dabei stellt sich in einem solchen Fall allerdings die Frage, wie über die Kosten zu entscheiden ist. Grundsätzlich sind gem. § 269 Abs. 3 S. 2 Hs. 1, Abs. 4 S. 2 ZPO der klagenden Partei aufzuerlegen. Haben die Parteien einen (außergerichtlichen) Vergleich des Inhalts geschlossen, dass die beklagte Partei nach einer Klagerücknahme ihre Auslagen selbst trägt, könnte dieser Vergleich aber ein Grund i.S.d. § 269 Abs. 3 Satz 2 Hs. 2 ZPO sein, dem Beklagten die Kosten (teilweise) aufzuerlegen, so dass zwar eine Entscheidung (auch) von Amts wegen erginge, diese aber dahin lautete, dass die Gerichtskosten die klagende Partei, die notwendigen Auslagen jede Partei selbst trägt. Allerdings handelt es sich bei einem solchen Vergleich ersichtlich um eine Vereinbarung zu Lasten Dritter (nämlich der Landeskasse), so dass an der Wirksamkeit einer solchen Vereinbarung im Hinblick auf § 138 ZPO nicht unerhebliche Zweifel bestehen dürften. Außerdem könnte dies u.U. ein Grund sein, die Sperrwirkung des § 122 Abs. 1 ZPO anzuzweifeln. Ob ein solches Vorgehen daher wirklich sinnvoll ist, scheint zweifelhaft. Foto: Tobias Fischer on Unsplash