Umfrage: Moderner Streiten! Ideen für die neue Legislatur­periode

Nach der Wahl am heutigen Sonntag werden in den nächsten Wochen die Regierungsbildung und die Koalitionsverhandlungen die Schlagzeilen bestimmen - also die Arbeit am Gesetzgebungsprogramm für die nächsten vier Jahre. Ein Teil dieses Gesetzgebungsprogramms im Zivilprozessrecht ist bereits vorgegeben, weil beispielsweise bis Ende 2022 die Verbandsklagen-Richtlinie umsetzen ist. Und obwohl in den Wahlprogrammen der Parteien nur wenige Vorschläge aus dem Bereich des Zivilprozesses zu finden sind, mangelt es an Ideen und Vorschlägen nicht. Bestimmt wird die Diskussion insbesondere von den Thesen im Diskussionspapier der Arbeitsgruppe „Modernisierung des Zivilprozesses“ (im Folgenden: „Arbeitsgruppe“) aber auch von den Erfahrungen aus der Corona-Pandemie. Und es gibt rechtspolitische „Dauerbrenner“: Das Stadium des Gesetzentwurfs erreicht, aber zum vierten Mal der Diskontinuität anheimgefallen ist beispielsweise das Gesetz zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten, das die Grundlage für „Commercial Courts“ und für Kammern für internationale Handelssachen sowie für Gerichtsverfahren in englischer Sprache schaffen soll. Uns interessiert daher, welche dieser Vorschläge und Ideen Ihnen als Leserinnen und Lesern dieses Blogs am wichtigsten sind und Ihrer Ansicht nach den Weg in Koalitionsvertrag finden sollten.

Deshalb haben wir zehn Vorschläge ausgewählt, die wir hier zur Abstimmung stellen wollen. Diese sind:

  1. Commercial Courts“, Kammern für internationale Handelssachen und Gerichtsverfahren in englischer Sprache wie sie das Gesetz zur Stärkung der Gerichte in Wirtschaftsstreitigkeiten schaffen soll. (S. dazu auch das Wahlprogramm der FDP S. 36).
  2. Ein „Vorabentscheidungsverfahren “ beim Bundesgerichtshof, wie von der Justizministerkonferenz vorschlagen. Dadurch sollen Instanzgerichte beschleunigt eine höchstrichterliche Klärung grundsätzlicher Rechtsfragen herbeiführen können.
  3. Eine Gruppenklage, mit der individuelle Ansprüche gebündelt geltend gemacht werden können, wie sie das Parteiprogramm von Bündnis 90/DIE GRÜNEN (S. 201 f.) fordert.
  4. Eine Modernisierung der Protokollvorschriften insbesondere betreffend Beweisaufnahmen hin zu einem zwingenden schriftliches Wortprotokoll oder einer erweiterten Aufzeichnung der Vernehmung (s. dazu z.B. Spoenle, RDi 2021, 231 ff., den Vorschlag der Arbeitsgruppe unter C.IV sowie auch diesen Beitrag).
  5. Eine „Recht auf Videoverhandlung“, indem das gerichtliche Ermessen in § 128a ZPO eingeschränkt wird beispielsweise ähnlich der Regelung in §§ 114 ArbGG, 211 SGG in Form einer „Soll-Vorschrift“ bei einem Antrag der Parteien oder indem es den Parteien freigestellt wird, ob sie im Saal oder per Videokonferenz teilnehmen wollen.
  6. Ein elektronischer Bürgerzugang in Form eines Justizportals, wie ihn die Arbeitsgruppe (unter B.I) vorschlägt, der als sicherer Übermittlungsweg dient und Bürgerinnen und Bürgern einen umfassenden Zugang zur Justiz eröffnet.
  7. Ein beschleunigtes Online-Verfahren für (zunächst) massenhaft auftretende Streitigkeiten zwischen klagenden Verbraucherinnen und Verbrauchern und beklagten Unternehmen. S. dazu den Vorschlag der Arbeitsgruppe (unter E.), Voß, VuR 2021, 243 ff., die Beiträge von Julian Albrecht hier im Blog (s. hier und hier) sowie auch das Wahlprogramm der FDP (S. 36) und der GRÜNEN (S. 167).
  8. Ein elektronischer Nachrichtenraum für formlose Kommunikation zwischen Gericht und Prozessbeteiligten wie ihn die Arbeitsgruppe (unter B.III.) vorschlägt, um beispielsweise Verhandlungstermine abzusprechen oder Vergleichsvorschläge auszutauschen.
  9. Ein elektronisches Basisdokument, in dem das Parteivorbringen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht einschließlich der Sachanträge in Form einer Relationstabelle gesammelt wird und das den Tatbestand des Urteils ersetzt. S. dazu den Vorschlag der Arbeitsgruppe (unter C.I.) sowie diesen Beitrag von Jakob Horn.
  10. Eine Veröffentlichung aller Gerichtsentscheidungen, um so durch stärkere Transparenz das Vertrauen in die Arbeit der Justiz zu stärken, wie es ebenfalls die Arbeitsgruppe (unter D.III) vorschlägt.

Und jetzt sind Sie an der Reihe: Wählen Sie bitte diejenigen Vorschläge (maximal 3) aus, die Sie sich im Koalitionsvertrag wünschen. [yop_poll id="1"] Und damit wir (selbstverständlich anonym) wissen, wer an dieser Umfrage teilgenommen hat, verraten Sie uns bitte noch Ihren beruflichen Hintergrund: [yop_poll id="2"] Die Abstimmung ist bis zum 24. Oktober 2021 offen. Die Ergebnisse werden wir zeitnah danach veröffentlichen. Wir sind auf Ihre Meinung gespannt!


Update: Die Ergebnisse gibt es hier.