Entscheidung
Das OLG hält den Ablehnungsantrag für zulässig, das Gesuch sei insbesondere fristgerecht eingelegt worden:
„a) Gemäß § 406 Abs. 2 S. 1 ZPO ist ein Ablehnungsantrag spätestens binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen zu stellen.
Eine spätere Ablehnung ist gemäß § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO nur dann zulässig, wenn der Antragsteller glaubhaft macht, dass er ohne sein Verschulden gehindert war, den Ablehnungsgrund früher geltend zu machen. Nach einhelliger Auffassung ist in diesem Fall der Antrag entsprechend § 121 BGB unverzüglich nach Kenntnis von dem Ablehnungsgrund zu stellen […]. Der Ablehnungsantrag ist innerhalb einer den Umständen des Einzelfalles angepassten Überlegungsfrist anzubringen […].
Nach mittlerweile gefestigter obergerichtlicher Rechtsprechung ist bei der Prüfung, ob ein fristgerechtes Gesuch vorliegt, auch der Rechtsgedanke des § 43 ZPO zu berücksichtigen. Hieraus wird abgeleitet, dass eine Partei ihr Recht zur Ablehnung des Sachverständigen verliert, wenn sie nach Abschluss der Anhörung des Sachverständigen Sachanträge stellt, ohne die ihr zu diesem Zeitpunkt bereits bekannten Ablehnungsgründe geltend zu machen […]. Diese Auffassung hat in der Literatur überwiegend Zustimmung gefunden […], wobei zum Teil eine entsprechende Anwendung von § 43 ZPO nicht für erforderlich erachtet wird, um zu einem Verlust des Rügerechts zu gelangen […].
b) Der Senat schließt sich der Rechtsauffassung an, dass bei der Prüfung der Rechtzeitigkeit eines Ablehnungsgesuchs nach § 406 Abs. 2 S. 2 ZPO eine entsprechende Anwendung des § 43 ZPO geboten ist.
Dies führt allerdings nicht dazu, dass Ablehnungsgesuche nach rügelosem Verhandeln zur Sache schematisch als unzulässig zurückgewiesen werden dürfen. Denn umfasst von einem Verlust des Ablehnungsrechts sind lediglich die der Partei bekannten Ablehnungsgründe. Solche können gegeben sein, wenn sie sich auf das Verhalten des Gutachters beziehen (etwa abfällige Äußerungen über Einwendungen der Partei oder über andere Gutachter, vgl. OLG Köln, Beschluss vom 21.12.2008, 5 W 58/08 - Bezeichnung von Parteivortrag als „frech“) oder wenn Umstände über die Nähe des Sachverständigen zu einem Prozessbeteiligten bekannt werden.
Davon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle, in denen ein Ablehnungsgrund erst nach sorgfältiger Prüfung der Ausführungen des Sachverständigen zu erkennen ist. Dies betrifft etwa Fälle, in denen ein Sachverständiger sich zu Fragen außerhalb seines Fachgebiets äußert. Hier kann von einer Partei nicht erwartet werden, unmittelbar nach der Anhörung eine Entscheidung über eine Ablehnung des Sachverständigen zu treffen.
Es ist daher für jeden einzelnen Ablehnungsgrund zu prüfen, ob die Partei ihr Ablehnungsrecht dadurch verloren hat, dass sie sich nach der Anhörung des Sachverständigen rügelos zur Sache eingelassen hat. Ein Verlust des Rechts wird nur dann nicht gegeben sein, wenn die Partei Gründe geltend macht, die eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Gutachten erfordern.
c) Im vorliegenden Fall hat der Kläger sein Ablehnungsgesuch auf den Inhalt der Ausführungen des Sachverständigen gestützt. […] Es kann an dieser Stelle dahinstehen, ob diese Rügen überhaupt grundsätzlich geeignet sind, eine Besorgnis der Befangenheit zu begründen. Gleichwohl erfordert ihr Erkennen eine Auseinandersetzung mit dem Inhalt der mündlichen Äußerungen, dem schriftlichen Gutachten und dem vorliegenden Prozessstoff, die nicht in wenigen Minuten im Rahmen einer mündlichen Verhandlung bewerkstelligt werden kann. […]
Nachdem im vorliegenden Fall eine Frist zur Stellungnahme zum Ergebnis der Beweisaufnahme bis 05.04.2016 gesetzt worden war und das Ablehnungsgesuch bereits am 24.03.2016, also noch innerhalb von zwei Wochen nach der Anhörung des Sachverständigen, einging, kann von einer schuldhaften Verzögerung durch den Kläger nicht ausgegangen werden.“
Dem Kläger nutzte das allerdings wenig, weil das OLG das Ablehnungsgesuch für unbegründet hält. Denn:
„Inhaltliche Mängel des Gutachtens oder mangelnde Sorgfalt begründen die Besorgnis der Befangenheit jedoch nicht, weil beides nicht die Unparteilichkeit des Sachverständigen betrifft […]. Der mangelnden Sorgfalt oder Sachkunde sehen sich beide Parteien ausgesetzt […]. Anhaltspunkte für eine auffällige Häufung von Fehlern zum Nachteil des Klägers bestehen nicht.“
Anmerkung
Ob es für das Ergebnis (Differenzierung nach bekannten und (zunächst) unbekannten Ablehnungsgründen) eine entsprechende Anwendung von § 43 ZPO tatsächlich braucht, erscheint mir zweifelhaft. Denn wenn der Ablehnungsgrund der Partei bekannt ist (beispielsweise eine abfällige Äußerung in der mündlichen Verhandlung) und die Partei trotzdem zur Sache verhandelt, dürfte die Ablehnung nicht unverzüglich i.S.d. § 121 BGB und damit ohnehin verspätet sein (ähnlich auch OLG Hamm, Beschluss vom 28.07.2015 - 9 U 160/13). Der genannten Entscheidung des OLG Hamm lässt sich übrigens auch entnehmen, wie man als Anwalt zweckmäßigerweise vorgehen kann, um eine Verspätung des Ablehnungsgesuchs zu vermeiden: Indem man die Gewährung einer Schriftsatzfrist beantragt.
Entgegen teilweise vertretener Ansicht (s. z.B. hier) gilt § 43 ZPO übrigens bei der Ablehnung von Richtern nicht, wenn die ablehnende Partei weiter verhandelt, nachdem sie das Ablehnungsgesuch angebracht hat. Das ergibt sich eindeutig aus der gesetzlichen Regelung in § 47 Abs. 2 ZPO (richtig deshalb hier).
tl;dr: Die Ablehnung eines Sachverständigen ist unzulässig, wenn die Partei zur Sache verhandelt oder Anträge stellt, ohne einen ihr bekannten Ablehnungsgrund geltend zu machen.
Anmerkung/Besprechung, OLG Bamberg, Beschluss vom 02.05.2016 – 4 W 38/16. Foto:
Tilman2007,
Bamberg, Wilhelmsplatz 1 von Südwesten, 20150925-002,
CC BY-SA 3.0