LAG Köln zur Verspätung im PKH-Verfahren

Eine vollständig ausgefüllte und mit den (notwendigen) Belegen versehene Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse im PKH-Prüfungsverfahren ist leider in der gerichtlichen Praxis die absolute Ausnahme. Dass Prozessbevollmächtigte dadurch ihren Vergütungsanspruch (gegen die Landeskasse) verlieren können, weil Angaben auch im PKH-Prüfungsverfahren nicht unbegrenzt nachgeholt werden können, zeigt ein aktueller Beschluss des LAG Köln vom 01.02.2019 – 1 Ta 1/19 sehr deutlich.

Sachverhalt

Die von der Klägerin in einem Arbeitsrechtsstreit vorgelegte Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse war nicht vollständig ausgefüllt oder jedenfalls waren die Angaben der Klägerin nicht nachvollziehbar. Nachdem die Parteien im Termin einen Vergleich geschlossen hatten, setzte ihr die Kammer deshalb gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO eine Frist von drei Wochen, um zu erklären, wie sie ihren Lebensunterhalt bestreite. Innerhalb der Frist ging keine Erklärung ein, worauf die Kammer den Antrag zurückwies. Erst im Beschwerdeverfahren und nach der Nichabhilfeentscheidung des Arbeitsgerichts ergänzte die Klägerin schließlich ihre Angaben.

Prozesskostenhilfe gem. §§ 114 ff. ZPO ist eine besondere Form der Sozialhilfe (früher deshalb auch „Armenrecht“ genannt). Sie soll auch wenig bemittelten Personen gerichtlichen Rechtsschutz ermöglichen. Die Bewilligung von Prozesskostenhilfe setzt voraus, dass die Rechtsverfolgung oder -verteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und dass die antragstellende Partei bedürftig ist. Um ihre Bedürftigkeit darzulegen, muss die den PKH-Antrag stellende Partei zusammen mit dem Antrag eine sog. „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse“ vorlegen (§ 117 Abs. 4 ZPO i.V.m. der PKHFV). Das hatte die Klägerin hier zwar gemacht. Aus dieser ergab sich aber nicht, wie die Klägerin ihren Lebensunterhalt bestritt. Deshalb bestand die nahe liegende Möglichkeit, dass sie entweder Einkünfte oder aber Vermögen nicht angegeben hatte. Das Arbeitsgericht setzt ihr deshalb gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO eine Frist, um ihre Angaben zu ergänzen. Die Klägerin ergänzte ihre Angaben aber nicht innerhalb dieser Frist, sondern erst mit der sofortigen Beschwerde (§ 127 ZPO) gegen den ablehnenden Beschluss. Und das Vorbringen in der Beschwerde ist zwar grundsätzlich zu berücksichtigen, § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO. Fraglich war hier aber, ob sich etwas anderes aus der gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzten Frist ergab oder daraus, dass die Instanz mit der mündlichen Verhandlung beendet war.

Entscheidung

Das LAG hat die sofortige Beschwerde der Klägerin zurückgewiesen:

„3. Soweit die Klägerin im Beschwerdeverfahren Ausführungen zu ihrer wirtschaftlichen Situation gemacht und Unterlagen vorgelegt hat, kann offen bleiben, ob dieses Vorbringen zur Glaubhaftmachung der Lebensverhältnisse ausreichend und geeignet ist. Denn das Vorbringen ist verspätet.

a) Dies folgt nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts und der des erkennenden Gerichts (…) schon daraus, dass 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO eine spezielle Regelung darstellt, die der allgemeinen Regelung des § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO nach Sinn und Zweck vorgeht (…). Folge ist, dass bei einer Zurückweisung gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO neues Vorbringen in der Beschwerdeinstanz nicht berücksichtigt werden kann.

b) Soweit davon abweichend teilweise angenommen wird, dass neues Vorbringen in bestimmten Fällen in der Beschwerdeinstanz gleichwohl berücksichtigungsfähig ist, setzt dies allerdings voraus, dass dieses Vorbringen noch vor Beendigung der Instanz, für welche Prozesskostenhilfe bewilligt werden soll, bei Gericht eingeht (…). Setzt das Gericht – wie hier – nach Instanzende eine Nachfrist, hat das Vorbringen jedenfalls dann unberücksichtigt zu bleiben hat, wenn die Nachfrist nach Instanzende versäumt wurde (…).

Im vorliegenden Fall endete die Instanz durch den Vergleich am 26.09.2018. Die in dem Beschluss vom gleichen Tage verkündete Auflage mit Fristsetzung binnen drei Wochen erfolgte nach Instanzende. Die Versäumung der Nachfrist führt auch nach dieser Auffassung dazu, dass eine Nachholung des Vorbringens in der Beschwerdeinstanz ausgeschlossen ist.

4. Unabhängig von den vorstehenden Erwägungen scheidet ein Erfolg der sofortigen Beschwerde auch deshalb aus, weil die Klägerin ihre Pflicht zur Mitwirkung verletzt hat.

a) Im Prüfungsverfahren zur Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist der Antragsteller bei der Aufklärung seiner persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse in besonderem Maße zur Mitwirkung verpflichtet. Kommt er dieser Pflicht nicht nach, ist die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abzulehnen, ohne dass es darauf ankommt, ob der Antragsteller die Voraussetzungen für die Bewilligung materiell erfüllt (…). Insbesondere dann, wenn es um die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach Instanzende geht, führt eine mangelhafte Mitwirkung und ein daraus resultierendes Fristversäumnis zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf Prozesskostenhilfebewilligung und Anwaltsbeiordnung (…).

b) Vorliegend hatte das Arbeitsgericht – obwohl dies nicht erforderlich war – im Nichtabhilfeverfahren durch Verfügung vom 04.12.2018 nochmals Gelegenheit gegeben, die Einkommensverhältnisse konkret darzulegen und glaubhaft zu machen. Selbst diese bis zum 21.12.2018 eingeräumte Stellungnahmefrist hat die Klägerin ungenutzt verstreichen lassen. Auch unter diesem Gesichtspunkt scheidet eine Prozesskostenhilfebewilligung folglich aus.“

Anmerkung

Das überzeugt mich hinsichlich des Verweises auf die wenig konturierte Mitwirkungspflicht eher weniger und auch was das Verhältnis von §§ 118 Abs. 2 Satz 4 und 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO angeht, ist die Ansicht des LAG Köln alles andere als zweifelsfrei (anders z.B. OLG Hamburg, Beschluss v. 31.01.2015 – 7 WF 1/15, OLG Celle, Beschluss vom 2012.2012 – 4 W 121/12; ähnlich OVG Lüneburg, Beschluss v. 05.11.2013 – 13 PA 185/13). Allerdings wird sich die Frage, ob Vorbringen im Beschwerderechtszug trotz Versäumung einer gem. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO gesetzten Frist zu berücksichtigen ist, im Regelfall nicht wesentlich auswirken. Denn die Entscheidung über den PKH-Antrag erwächst nicht in Rechtskraft und das Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Die Partei trägt allerdings im Falle einer erfolglosen Beschwerde gegen die ablehnende Entscheidung die Kosten des erfolglosen Beschwerdeverfahrens in Höhe von 60 EUR (Ziff. 1812 KV-GKG). Zweckmäßiger ist es deshalb in der Regel, einen neuen – vollständigen (!) – Antrag zu stellen, der durch die vorherige Entscheidung nicht präjudiziert ist. Besondere Vorsicht ist allerdings geboten, wenn - wie hier - die Frist im Termin gesetzt wird und der Termin die Instanz beendet (oder beenden kann). Denn PKH kann grundsätzlich nur für eine beabsichtigte Rechtsverfolgung oder -verteidigung bewilligt werden. Ist der Antrag erst nach Abschluss der Instanz vollständig, ist eine Bewilligung von PKH grundsätzlich ausgeschlossen. Etwas anderes gilt aber, wenn das Gericht im Termin eine Frist setzt, um die Angaben zu ergänzen. Diese Frist ist dann aber – wie das LAG Köln zu Recht ausführt – unbedingt einzuhalten. Wann und inwieweit sich eine Partei ohne vorherige Entscheidung über das PKH-Gesuch überhaupt auf die mündliche Verhandlung einlassen muss, ist übrigens äußerst umstritten – mehr dazu hier irgendwann in hoffentlich naher Zukunft. tl;dr: Setzt das Gericht im Prozesskostenhilfeprüfverfahren nach Instanzende eine Nachfrist, hat das Vorbringen – auch in der Beschwerdeinstanz – unberücksichtigt zu bleiben, wenn diese Nachfrist versäumt wurde. Anmerkung/Besprechung, LAG Köln, Beschluss vom 01.02.2019 – 1 Ta 1/19. Foto: NeONBRAND on Unsplash