BGH: „Demnächst“ i.S.d. § 167 ZPO und Zahlung des Gerichtskosten­vorschusses

Vermutlich wird sich – wie stets zu Jahresanfang – in den nächsten Wochen und Monaten vermehrt die Frage stellen, ob eine Zustellung Anfang dieses Jahres noch „demnächst“ i.S.d. § 167 ZPO erfolgt ist. Da trifft es sich gut, dass der Bundesgerichtshof mit Urteil vom 10.12.2019 – II ZR 281/18 die insoweit geltenden Grundsätze noch einmal klargestellt hat.

Sachverhalt

Die Klägerin hat am 15.02.2017 beim Landgericht Nichtigkeitsfeststellungs- und Anfechtungsklage gegen einen Gesellschafterbeschluss vom 04.01.2017 eingelegt. Im Gesellschaftsvertrag ist bestimmt, dass die „Unwirksamkeit oder Anfechtbarkeit von Gesellschafterbeschlüssen … nur innerhalb von sechs Wochen geltend gemacht werden“ kann. Eine erste Kostenrechnung, die der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle aufgrund der Streitwertangabe in der Klageschrift (100.000 EUR) erstellte, bezahlte der Kläger binnen einer Woche. Das Gericht setzte den Streitwert in der Folge vorläufig auf 500.000 EUR fest. Eine Kostenrechnung vom 14.03.2017 über die Differenz ging dem Klägervertreter am 16.03.2017 zu. Am 11.04.2017 zahlte der Kläger schließlich den Differenzbetrag ein, woraufhin die Klage zugestellt wurde. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht die Klage abgewiesen und ist davon ausgegangen, der Anspruch sei verjährt, da die Klage nicht demnächst zugestellt worden sei. Dem Kläger sei für die Prüfung der Kostenrechnung und der Zahlung des Vorschusses eine Woche einzuräumen. Diese Frist sei bereits am 21.03.2017 abgelaufen, so dass bei einem Eingang der Zahlung am 11.04.2017 die Verzögerung 14 Tage deutlich überschreite. Auf die dagegen gerichtete Nichtzulassungsbeschwerde hat der Senat die Revision zugelassen.

Soll durch eine Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung gehemmt werden, tritt diese Wirkung gem. § 167 ZPO bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung bei Gericht ein, wenn die Zustellung „demnächst“ erfolgt. Der Begriff „demnächst“ ist dabei nicht allein zeitlich zu verstehen, sondern beinhaltet nach allgemeiner Ansicht vor allem ein wertendes Element dahingehend, dass die Verzögerung der Zustellung nicht der Partei anzulasten sein darf. Hier war das OLG als Vorinstanz davon ausgegangen, die Zustellung sei nicht mehr demnächst erfolgt. Denn der Kläger habe den Gerichtskostenvorschuss (§ 12 GKG) nicht schnell genug eingezahlt.

Entscheidung

Der BGH hat das Urteil aufgehoben und die Sache zurückverwiesen:

„Die Klageschrift ist am 15. Februar 2017 und damit vor Ablauf der in § 7 Abs. 5 des Gesellschaftsvertrags bestimmten Frist beim Landgericht eingereicht worden. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist für die Frage der Fristwahrung auf den Eingang der Klage abzustellen, weil sie der Beklagten demnächst i.S.v. § 167 ZPO zugestellt worden ist.

1. Eine Zustellung „demnächst“ nach Eingang des Antrags oder der Erklärung bedeutet eine Zustellung innerhalb einer nach den Umständen angemessenen, selbst längeren Frist, wenn die Partei oder ihr Prozessbevollmächtigter unter Berücksichtigung der Gesamtsituation alles Zumutbare für die alsbaldige Zustellung getan hat.

Die Zustellung ist dagegen nicht mehr „demnächst“ erfolgt, wenn die Partei, der die Fristwahrung obliegt, oder ihr Prozessbevollmächtigter durch nachlässiges – auch leicht fahrlässiges – Verhalten zu einer nicht bloß geringfügigen Zustellungsverzögerung beigetragen hat. Hat der Veranlasser die Zustellung nicht vorwerfbar verzögert oder fällt ihm nur eine geringfügige Verzögerung zur Last, überwiegen regelmäßig seine Interessen gegenüber den Belangen des Zustellungsadressaten (…).

Bei der Bemessung einer Verzögerung ist auf die Zeitspanne abzustellen, um die sich der ohnehin erforderliche Zeitraum für die Zustellung der Klage als Folge der Nachlässigkeit des Klägers verzögert (…). Dem Zustellungsveranlasser zuzurechnende Verzögerungen von bis zu 14 Tagen gelten regelmäßig als geringfügig und sind deshalb hinzunehmen (…).

2. Der Kläger hat die Zustellung nur geringfügig verzögert. Die ihm zuzurechnenden Verzögerungen belaufen sich auf nicht mehr als 14 Tage.

a) Das Berufungsgericht ist im rechtlichen Ausgangspunkt zutreffend davon ausgegangen, dass der Kläger zunächst die nach richterlicher Festsetzung des vorläufigen Streitwerts erstellte Gerichtskostenrechnung vom 14. März 2017 abwarten durfte (…).

Nachdem die Kostenrechnung am 16. März 2017, einem Donnerstag, bei dem Prozessbevollmächtigten des Klägers einging, musste dieser sie prüfen und an den Kläger weiterleiten. Der dafür erforderliche Zeitraum ist im Allgemeinen mit drei Werktagen zu veranschlagen unter Ausklammerung des Eingangstages und von Wochenendtagen (…). Er führt nicht zu einer der Partei zuzurechnenden Verzögerung, sondern zählt zum normalen Ablauf (…). Die Prüfungs- und Weiterleitungsfrist begann mithin am 17. März 2017 und endete mit Ablauf des 21. März 2017.

b) Dem Kläger war darüber hinaus eine ausreichende Frist zur Bereitstellung und Einzahlung des Kostenvorschusses zuzubilligen (…). Auch von einer auf die Wahrung ihrer prozessualen Obliegenheit bedachten Partei kann insbesondere nicht verlangt werden, an Wochenend- und Feiertagen für die Einzahlung des Kostenvorschusses zu sorgen (…). Der Partei ist deshalb nach der neueren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Bewirkung der Einzahlung in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zuzugestehen (…). Soweit dem Urteil des Senats vom 25. Oktober 2016 – II ZR 230/15 (…) entnommen werden mag, dass sich die Frist für den Kosteneingang bei der Gerichtskasse stets auf höchstens drei Werktage beläuft, wird daran nicht festgehalten.

c) Die Frist zur Bereitstellung und Einzahlung des Kostenvorschusses durch den Kläger begann hiernach am 21. März 2017 und lief frühestens am 28. März 2017 ab. Ein die Verkürzung dieser Frist rechtfertigender Ausnahmefall ist schon deshalb nicht gegeben, weil der Kläger nach unverzüglicher Begleichung der ersten Kostenrechnung nicht ohne Weiteres mit der Nachforderung eines weiteren Vorschusses in überdies beträchtlicher Höhe (weitere 7.530 €) rechnen musste (…).

Da der Kläger den Kostenvorschuss am 11. April 2017 bezahlte, beträgt die ihm zuzurechnende Verzögerung der Zustellung der Klage nicht mehr als 14 Tage.“

Anmerkung

Interessant ist dabei vor allem, dass der II. Zivilsenat damit eine Aussage in einem obiter dictum aus dem Jahre 2015 (Urteil vom 25.10.2016 - II ZR 230/15) „einfängt“ und sich der Ansicht der anderen Zivilsenate anschließt. Im Regelfall gilt damit nun folgender Zeitablauf als unschädlich:
Prüfungs- und Weiterleitungsfrist 3 Werktage (ohne Tag des Eingangs)
Einzahlungs-/Erledigungfrist 1 Woche
maximale Verzögerung 14 Tage
Wichtig scheint aber auch, dass der BGH ausdrücklich klarstellt, dass die genannten Fristen im Einzelfall kürzer oder länger sein können. Gerade wenn sich – wie hier – erst aufgrund einer gerichtlichen Wertfestsetzung (§ 63 GKG) eine erhebliche Nachforderung ergibt, wird man bei der Erledigungsfrist keinen allzu strengen Maßstab anlegen dürfen. Für einen nicht allzu strengen Maßstab spricht übrigens auch ein weiteres aktuelles Urteil des II. Zivilsenats (Urteil vom 01.10.2019 – II ZR 169/18): Danach obliegt der klagenden Partei bei einer Verzögerung von zweieinhalb Monaten (noch) keine Erkundigungspflicht. tl;dr: Einer Partei ist in der Regel eine Erledigungsfrist von einer Woche zur Einzahlung des angeforderten Gerichtskostenvorschusses zuzugestehen. (Leitsatz des BGH) Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil vom 10.12.2019 – II ZR 281/18. Foto: Eric Rothermel on Unsplash