Voraussetzungen der Bewilligung von Prozesskostenhilfe für Mehrvergleiche
Entscheidung
Das LAG hat die Beschwerde zurückgewiesen. Das Gericht weist zunächst darauf hin, dass der erst am 18.03.2015 gestellte Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich verspätet sei, da Prozesskostenhilfe nicht rückwirkend bewilligt werden könne. Auch die sofortige Beschwerde des Klägers führe nicht zum Ziel:„aa) Zunächst scheidet eine Ergänzung im Wege der sofortigen Beschwerde aus.
Mit seinem Beschluss vom 26. Februar 2015 wollte das Arbeitsgericht auch hier […] erkennbar über den Prozesskostenhilfeantrag der Klägerin vollständig entscheiden. Weder ergeben sich aus dem Beschluss Anhaltspunkte dafür, dass ein Teilbeschluss ergehen sollte, noch hat das Arbeitsgericht den Antrag der Klägerin teilweise zurückgewiesen.
Aber auch Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich hat das Arbeitsgericht in dem angegriffenen Beschluss nicht bewilligt, da eine solche zwingend, schon wegen der bindenden Wirkung für den Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts (§ 48 Abs. 1 RVG) und der Vermeidung von Unklarheiten im Vergütungsfestsetzungsverfahren, klar aus dem Bewilligungs- und Beiordnungsbeschluss erkennbar sein muss […].
In diesem Fall kann, sofern man zugunsten der Klägerin einen – jedenfalls konkludent – gestellten Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe auch für den Mehrvergleich unterstellt, eine Ergänzung nicht im Wege des Rechtsmittels herbeigeführt werden, da die Beschwer nämlich nicht in der getroffenen, sondern in der unterlassenen Entscheidung liegt […].
bb) Auch soweit der Antrag der Klägerin vom 18. März 2015 als Antrag auf Ergänzung des gerichtlichen Bewilligungsbeschlusses vom 26. Februar 2015 zu verstehen ist, kann er bereits mangels Einhaltung der Zweiwochenfrist entsprechend § 321 Abs. 2 ZPO ebenfalls keinen Erfolg haben. Dabei kann dahinstehen, ob zuvor von einem jedenfalls konkludenten – oder gar ausdrücklichen – Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich auszugehen ist […]
Wird nämlich – wie hier – vor der Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zwischen den Parteien ein gerichtlicher Vergleich geschlossen, der bisher nicht rechtshängige Gegenstände erfasst, ist regelmäßig davon auszugehen, dass die finanziell unbemittelte Partei Prozesskostenhilfe nicht nur für die bereits rechtshängigen Streitgegenstände begehrt, die durch diesen Vergleich erledigt werden, sondern auch für die weiteren durch den Vergleich miterledigten Streitpunkte […].
Ungeachtet dessen hat die Klägerin mit ihrem Antrag vom 18. März 2015 allerdings die Zweiwochenfrist entsprechend § 321 Abs. 2 ZPO nicht eingehalten. Der Beschluss wurde durch das Arbeitsgericht ausweislich des Vermerks […] am 27. Februar 2015 formlos abgesandt und unter Berücksichtigung von § 270 Satz 2 ZPO gilt die Zustellung spätestens am darauffolgenden Werktag, dem 28. Februar 2015, als bewirkt. Damit lief die zweiwöchige Frist entsprechend § 321 Abs. 2 ZPO am Montag, dem 16. März 2015, ab.
Wird ein Antrag auf Urteilsergänzung nicht fristgerecht gestellt, entfällt die Rechtshängigkeit des übergangenen Anspruchs […]. Nichts anderes gilt – wie hier – im Fall eines gestellten, aber teilweise nicht verbeschiedenen Prozesskostenhilfeantrags […].“
Anmerkung
Die Entscheidung wiederholt im Ergebnis die folgenden - wohl überwiegend anerkannten - Grundsätze:- Der Abschluss eines Vergleichs (d.h. die Einigungsgebühr) ist von einer bewilligten Prozess- oder Verfahrenskostenhilfe ohne weiteres gedeckt, soweit der Gegenstand des Vergleichs nicht über den Streitgegenstand, für den die Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, hinausgeht (s. nur OLG Brandenburg, Beschluss vom 20.08.2013 – 3 WF 61/13, Zöller/Geimer, § 119 Rn. 25).
- Schließen die Parteien einen Mehrvergleich, muss nicht ausdrücklich beantragt werden, die (bewilligte) PKH auf den Mehrwert zu erstrecken; der Erstreckungsantrag ist vielmehr konkludent in dem Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe enthalten (s. nur BAG, Beschluss vom 30.04.2014 – 10 AZB 13/14 Rn. 14 ff., Musielak/Voit/Fischer, § 119 Rn. 5; h.M.).
- Die Geltendmachung der höheren Einigungsgebühr und ggf. auch der höheren Terminsgebühr und der Differenzgebühr setzt gem. § 48 Abs. 1, 5 RVG eine ausdrücklich dahingehende Entscheidung des Gerichts voraus, eine konkludente Erstreckung auf den Mehrwert des Vergleichs kommt nicht in Betracht (BAG, Beschluss vom 30.04.2014 – 10 AZB 13/14 Rn. 21; OLG Brandenburg, Beschluss vom 11.08.2008 – 6 W 28/08 Rn. 16; Zöller/Geimer, § 120 Rn. 3).
- Der Prüfungsmaßstab des Gerichts richtet sich danach, auf welche Gebühren die Prozesskostenhilfe erstreckt werden soll (alles sehr umstritten, s. dazu ausf. MünchKomm-ZPO/Wache, § 114 Rn. 74, § 119 Rn. 25):
- Auf die durch den Mehrvergleich entstandene Einigungsgebühr ist die Prozesskostenhilfe schon dann zu erstrecken, wenn der Abschluss des Vergleichs nicht mutwillig ist (vgl. BAG, Beschluss vom 30.04.2014 – 10 AZB 13/14 Rn. 22 ff.
- Auf den Vergleich insgesamt (so dass auch Verfahrensdifferenz- und Terminsgebühr entstehen) ist die Prozesskostenhilfe nur zu erstrecken, wenn die Rechtsverfolgung oder –verteidigung geprüft werden kann und hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (OLG Celle, Beschluss vom 26.02.2015 - 10 WF 28/15 Rn. 11).
- Wird die Prozesskostenhilfe nur allgemein „auf den Vergleich“ erstreckt, erfasst dies nach inzwischen wohl überwiegender Ansicht sowohl Termins- als auch Verfahrensdifferenzgebühr (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 20.02.2017 - 2 WF 214/16, OLG Celle, Beschluss vom 13.06.2016 - 21 WF 118/16, anders OLG Nürnberg, Beschluss vom 05.07.2016 - 11 WF 832/16; OLG Celle, Beschluss vom 26.02.2015 - 10 WF 28/15; OLG Dresden, Beschluss vom 02.02.2017 - 20 UF 1100/16).
- Vergisst das Gericht, die Prozesskostenhilfe auf den Mehrwert des Vergleichs zu erstrecken, muss ein entsprechender Ergänzungsantrag entsprechend § 321 Abs. 2 ZPO binnen 2 Wochen nach Zugang des PKH-Beschlusses gestellt werden (so BAG, Beschl. v. 16. 2. 2012 − 3 AZB 34/11 Rn. 11 ff.).