Klassische Haftungsfalle VIII – Zug-um-Zug-Antrag ohne Feststellung des Annahmeverzugs
Entscheidung
Der BGH hat den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss – wie beantragt – aufgehoben und den Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zurückgewiesen:„Hängt die Vollstreckung von einer Zug um Zug zu bewirkenden Leistung des Gläubigers an den Schuldner ab, so darf das Vollstreckungsgericht nach § 765 Nr. 1 1. Halbsatz ZPO eine Vollstreckungsmaßregel nur anordnen, wenn der Beweis, dass der Schuldner befriedigt oder im Verzug der Annahme ist, durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde geführt wird und eine Abschrift dieser Urkunde bereits zugestellt ist.
Für die Beweisführung durch eine öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde kommt es auf deren Beweiskraft an, die nach den §§ 415 ff. ZPO zu beurteilen ist.
Im Streitfall geht es um die Frage, ob der Beweis, dass der Schuldner hinsichtlich der Zug um Zug zu bewirkenden Leistung der Gläubigerin (Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Stück Aktien der C. AG) befriedigt ist (§ 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 1 ZPO), durch das nicht rechtskräftige Feststellungsurteil des Landgerichts M. vom 22. Februar 2016 geführt wird. Das ist nicht der Fall.
a) Nach 417 ZPO begründen die von einer Behörde ausgestellten, eine amtliche Anordnung, Verfügung oder Entscheidung enthaltenden öffentlichen Urkunden vollen Beweis ihres Inhalts. Dies bedeutet, dass die Urkunde über den Erlass eines Urteils nach § 417 ZPO den Beweis dafür erbringt, dass die darin beurkundete Entscheidung ergangen ist, nicht jedoch den Beweis für ihre inhaltliche Richtigkeit (…).
Hat der Gläubiger, der aus einem Zug-um-Zug-Titel vollstrecken will, im Hinblick auf §§ 765, 756 ZPO eine Feststellungsklage erhoben mit dem Ziel, festzustellen, dass der Schuldner hinsichtlich der vom Gläubiger Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung befriedigt ist, hängt die materielle Beweiskraft eines daraufhin ergangenen Feststellungsurteils von seiner Rechtskraft ab (…). Der gerichtliche Feststellungsausspruch erlangt für die Parteien Bindungswirkung erst mit der Rechtskraft des Feststellungsurteils. Nach Eintritt der Rechtskraft richtet sich das Rechtsverhältnis der Parteien nach dem Inhalt der getroffenen Feststellung, ohne dass eine der Parteien geltend machen könnte, die Feststellung sei inhaltlich unrichtig getroffen worden (…).
b) Anders als die Rechtsbeschwerdeerwiderung meint, ergibt sich daraus, dass nicht der Rechtskraft fähige öffentliche Urkunden zum Nachweis dafür, dass der Schuldner hinsichtlich einer Zug um Zug zu bewirkenden Gegenleistung befriedigt ist, herangezogen werden können, nicht, dass im Zusammenhang mit der nach §§ 765, 756 ZPO geforderten Beweisführung durch öffentliche oder öffentlich beglaubigte Urkunde in keinem Fall auf den Eintritt der Rechtskraft eines Urteils abgestellt werden darf.
Welche Beweiswirkung sich aus einer öffentlichen Urkunde ergibt, bestimmt sich jeweils unter Heranziehung der §§ 415 ff. ZPO. Die formelle Beweiskraft eines nicht rechtskräftigen Feststellungsurteils, mit dem festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der Gegenleistung befriedigt ist, ermöglicht daher gerade nicht die Beweisführung dafür, dass dies tatsächlich der Fall ist. Die dem Feststellungsurteil zugrunde liegende rechtliche Bewertung des Gerichts wird zwischen den Parteien des Verfahrens erst verbindlich, wenn das Urteil rechtskräftig ist.
c) Eine andere Betrachtung ist nicht geboten, weil in der Rechtsprechung die Möglichkeit anerkannt ist, im Erkenntnisverfahren einen Zug um Zug gegen Erbringung einer Gegenleistung gestellten Zahlungsantrag mit dem Antrag zu verbinden, festzustellen, der Beklagte befinde sich in Bezug auf die Gegenleistung im Verzug der Annahme befindet (…).
In diesem Fall rechtfertigt das aus prozessökonomischen Gründen anzuerkennende rechtliche Interesse des Gläubigers gemäß § 256 Abs. 1 ZPO, seinen Zug um Zug gestellten Zahlungsantrag mit einem Feststellungsantrag zum Vorliegen des Annahmeverzugs zu verbinden. Die durch diese Feststellung bezweckte Beweisführung im Sinne des § 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 2 ZPO ist schon dann anzuerkennen, wenn die Voraussetzungen für die Vollstreckung des Leistungsurteils, mit dem der Feststellungsausspruch lediglich als Annex verbunden ist, gegeben sind.
Die von der Gläubigerin nachträglich erhobene Feststellungsklage betrifft indes die Feststellung, dass der Schuldner durch den Verkauf der 2.500.000 Stück Aktien der C. AG hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M. vom 6. Februar 2012 Zug um Zug gebührenden Übergabe und Übertragung dieser Aktien befriedigt ist (§ 765 Nr. 1 Halbsatz 1 Fall 1 ZPO).
d) An einer solchen rechtskräftigen Feststellung, dass der Schuldner hinsichtlich der Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung, der Übergabe und Übertragung des Eigentums an 2.500.000 Aktien der C. AG, befriedigt ist, fehlt es hier. Das Urteil des Landgerichts M. vom 22. Februar 2016, in dem festgestellt wird, dass der Schuldner hinsichtlich der ihm aus dem Urteil des Landgerichts M. vom 6. Februar 2012 gebührenden Zug-um-Zug-Leistung befriedigt ist, ist nicht rechtskräftig.“