BGH: Kein Rechtmittel gegen Ablehnungsgesuch für begründet erklärende Entscheidung

ComQuat wikimedia.org CC BY-SA 3.0Ablehnungen von Sachverständigen wegen Besorgnis der Befangenheit sind in der Praxis nicht selten, wenn eine der Parteien mit dem Ergebnis eines Sachverständigengutachtens nicht einverstanden ist.

Mit Beschluss vom 22.07.2015 - XII ZB 667/14 hatte der Bundesgerichtshof sich mit der Frage zu befassen, inwieweit Rechtsmittel gegen einen Beschluss statthaft sind, mit dem einem Ablehnungsantrag stattgegeben wird, wenn in dem Beschluss das Rechtsmittel ausdrücklich zugelassen wird.

Sachverhalt

Der Entscheidung lag eine familienrechtliche Auseinandersetzung zugrunde, in welcher der Kindesvater die Übertragung des alleinigen Sorgerechts auf ihn, hilfsweise die gemeinsame elterliche Sorge begehrte. Das vom Gericht eingeholte familienpsychologische Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass die Mutter besser geeignet sei, die elterliche Sorge allein auszuüben. Der Kindesvater lehnte den Sachverständigen daraufhin wegen Besorgnis der Befangenheit ab.

Das Amtsgericht wies das Ablehnungsgesuch zurück; auf die Beschwerde des Kindesvaters erklärte das Kammergericht das Ablehnungsgesuch jedoch für begründet. Gegen diesen Beschluss wendete sich nun die Mutter mit der vom Kammergericht zugelassenen (!) Rechtsbeschwerde.

Nicht nur Richter, sondern auch Sachverständige können gem. §§ 406 Abs. 1 Satz 1, 42 Abs. 1 und 2 ZPO wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit eines Sachverständigen zu rechtfertigen. Grund dafür ist, dass der Sachverständige "Gehilfe" des Richters ist und als solcher ebenfalls unparteiisch sein muss.

Das Ablehnungsgesuch muss die Partei dabei gem. § 406 Abs. 2 Ziff. 1 ZPO grundsätzlich binnen zwei Wochen nach Zustellung des Bestellungsbeschlusses anbringen; danach ist eine Ablehnung nur noch möglich, wenn die Partei glaubhaft macht, von dem Ablehnungsgrund erst nachträglich erfahren zu haben. Gem. § 406 Abs. 3 ZPO muss der Ablehnungsgrund in dem Ablehnungsantrag glaubhaft gemacht (§ 294 ZPO) werden (vgl. § 44 Abs. 2 ZPO).

Begründet ist das Ablehnungsgesuch gegen den Sachverständigen nicht erst, wenn der Sachverständige tatsächlich befangen ist. Schon der bei der ablehnenden Partei erweckte Anschein fehlender Neutralität rechtfertigt die Ablehnung wegen der Besorgnis der Befangenheit. Das kann z.B. der Fall sein, wenn der Sachverständige einen Ortstermin nur mit einer Partei wahrnimmt, sich Informationen nur von einer Partei verschafft, wenn der Sachverständige vom Prozessgegner wirtschaftlich abhängig ist oder wenn der Sachverständige oder ein Sozius des Sachverständigen in dem Verfahren bereits ein Privatgutachten erstattet hat.

Über das Ablehnungsgesuch entscheidet das Gericht gem. § 406 Abs. 4 ZPO durch Beschluss. Gem. § 406 Abs. 5 ZPO steht dem Ablehnenden gegen den Beschluss die sofortige Beschwerde zu, wenn das Ablehnungsgesuch für unbegründet erklärt wird; wird das Ablehnungsgesuch für begründet erklärt, ist die Entscheidung unanfechtbar.

Fraglich war hier, ob sich etwas anderes daraus ergab, dass das Kammergericht - das Oberlandesgericht des Landes Berlin - die Rechtsbeschwerde gegen seine Entscheidung zugelassen hatte (vgl. § 574 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 ZPO).

Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hält die Beschwerde wenig überraschend schon für unzulässig:

„Nach dem somit anwendbaren § 574 Abs. 2 Nr. 2 ZPO ist zwar gegen einen Beschluss die Rechtsbeschwerde statthaft, falls das Beschwerdegericht, das Berufungsgericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug sie in dem Beschluss zugelassen hat.

Trotz des weit gefassten Gesetzeswortlauts gilt dies indessen nicht für alle derartigen Beschlüsse. Eine Rechtsbeschwerde ist vielmehr gleichwohl unzulässig, wenn das Gesetz eine Anfechtung der Entscheidung ausschließt [...]. Denn die Zulassung der Rechtsbeschwerde hat keine Ausweitung der Rechtsschutzmöglichkeiten über die gesetzlichen Zulässigkeitsvoraussetzungen hinaus zur Folge. Dementsprechend macht die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Beschwerdegericht die Prüfung der sonstigen Zulässigkeitsvoraussetzungen nicht entbehrlich, zu denen unter anderem die Feststellung gehört, ob der Rechtsmittelführer durch die angegriffene Entscheidung überhaupt beschwert ist oder ob ihm hiergegen ein Beschwerderecht zusteht. Vielmehr wird einem Beschwerdeführer durch die Rechtsmittelzulassung die Einlegung einer Rechtsbeschwerde nur ermöglicht, wenn und soweit sie nach dem Gesetz statthaft und auch sonst zulässig ist [...].

Das ist hier nicht der Fall. Denn nach [...] § 406 Abs. 5 ZPO findet gegen den Beschluss, durch den die Ablehnung eines Sachverständigen - wie im vorliegenden Fall - für begründet erklärt wird, kein Rechtsmittel statt. Die Anfechtbarkeit der Entscheidung ist nach der genannten Bestimmung auf den Fall der Zurückweisung eines Ablehnungsgesuchs begrenzt. Daher vermag auch eine positive Zulassungsentscheidung den Rechtsmittelzug gegen den einem Ablehnungsgesuch stattgebenden Beschluss nicht zu eröffnen, weil eine nach dem Gesetz unanfechtbare Entscheidung nicht mit Hilfe einer Zulassung der Anfechtung unterworfen werden kann [...]"

Anmerkung

Und man fragt sich ja doch: Was hat das Kammergericht sich wohl gedacht, als es die Rechtsbeschwerde zugelassen hat? Immerhin ist der Wortlaut § 406 Abs. 5 ZPO relativ eindeutig...

tl;dr: Gegen einen Beschluss, durch den die Ablehnung eines Sachverständigen für begründet erklärt worden ist, ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft, auch wenn sie in der betreffenden Entscheidung zugelassen worden ist.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 22.07.2015 - XII ZB 667/14. Foto: ComQuat |wikimedia.org | CC BY-SA 3.0