BGH: Rechtswegverweisung im PKH/VKH-Prüfungsverfahren ist unanfechtbar

BGH_Empfangsgebäude ComQuat wikimedia.org CC BY-SA 3.0Ein ziemliches „Rechtsmittelchaos“ in einem Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren musste der BGH mit Beschluss vom 25.02.2016 – IX ZB 61/15 entwirren.

In dem Beschluss geht es einerseits darum, ob die Anfechtungsmöglichkeiten des § 17a Abs. 4 GVG auch im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren gelten und andererseits darum, wer einen solchen Beschluss ggf. anfechten kann.

Sachverhalt

Der Kläger begehrte als Insolvenzverwalter Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen eine ehemalige Angestellte der Insolvenzschuldnerin. Das Landgericht lehnte die Bewilligung der Prozesskostenhilfe mit der Begründung ab, für den Rechtsstreit seien die Arbeitsgerichte zuständig. Auf die Beschwerde des Klägers änderte das OLG den Beschluss ab. Es erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für unzulässig, verwies das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren an das Arbeitsgericht und ließ die Rechtsbeschwerde zu.

Die Rechtsbeschwerde legte nun aber nicht der Insolvenzverwalter, sondern die Antragsgegnerin ein.

Prozesskostenhilfe gem. §§ 114 ff. ZPO ist eine besondere Form der Sozialhilfe (früher deshalb auch „Armenrecht" genannt). Sie soll auch wenig bemittelten Personen gerichtlichen Rechtsschutz ermöglichen. Prozesskostenhilfe kann aber nicht nur natürlichen Personen gewährt werden, sondern gem. § 116 ZPO auch Parteien kraft Amtes (insbesondere Insolvenzverwaltern) und juristischen Personen. Hier war mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens die Verfügungsbefugnis über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin gem. § 80 InsO auf den Insolvenzverwalter übergegangen. Dieser wollte daher als Partei kraft Amtes im eigenen Namen den Anspruch der Schuldnerin gegen die Beklagte einklagen. Deshalb hatte er zunächst die Bewilligung von Prozesskostenhilfe beantragt.

Dem Kläger war gem. §§ 114, 116 ZPO Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn einerseits die Kosten für die Prozessführung aus der Insolvenzmasse nicht aufgebracht werden konnten und andererseits die Rechtsverfolgung Erfolg versprach. Letzteres war hier aber zweifelhaft, weil der Insolvenzverwalter vor dem Landgericht und nicht vor dem Arbeitsgericht klagte.

Über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe ist i.d.R. in einem eigenen, vorgeschalteten Verfahren zu entscheiden, dem sog. Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren. In diesem Verfahren hatte das Landgericht sich aber für nicht zuständig gehalten und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe deshalb abgelehnt.

Das auf die Beschwerde (§ 127 ZPO) hin mit der Sache befasste OLG hatte das im Ergebnis ebenso gesehen. Es hatte aber die eigentlich für den späteren Prozess geltenden Vorschriften des § 17a GVG entsprechend angewendet und den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht verwiesen. Und eine Verweisung von einer Gerichtsbarkeit an die andere ist gem. § 17a Abs. 4 Satz 3 GVG anfechtbar (anders als eine Verweisung innerhalb der Gerichtsbarkeit, § 281 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Und da das OLG die Rechtsfrage wohl für sehr wichtig hielt, hatte es gleichzeitig auch noch die Rechtsbeschwerde (§ 574 ZPO) gegen den Verweisungsbeschluss zugelassen.

Fraglich war nun aber, ob das alles im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren so zulässig war.
Entscheidung

Der IX. Zivilsenat erklärt zunächst mit geradezu lehrbuchartigen Ausführungen das Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren und warum die Antragsgegnerin daran nicht beteiligt und durch Entscheidungen nicht beschwert ist:

„Im Prozesskostenhilfeverfahren sind die Rechtsmittelmöglichkeiten eingeschränkt. Beschwerde kann grundsätzlich nur die am Prozesskostenhilfeverfahren beteiligte Partei einlegen […]. Dies ist stets der Antragsteller, der Prozesskostenhilfe begehrt. Hingegen steht dem Antragsgegner im Prozesskostenhilfeverfahren im allgemeinen kein Beschwerderecht zu […]. Der Gegner ist nicht Partei des Prozesskostenhilfeverfahrens; die in diesem Verfahren ergehenden Entscheidungen beeinträchtigen ihn regelmäßig nicht in seinen Rechten. Er wird durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht beschwert […].

Dies gilt auch für Entscheidungen über die der Prozesskostenhilfeentscheidung vorgeschaltete Frage, welches Gericht für die Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch zuständig ist […]. Zwar hat das Gericht gemäß § 118 Abs. 1 ZPO dem Gegner Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben. Diese Regelung verschafft dem Gegner der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei jedoch nicht die Stellung eines beschwerdebefugten Beteiligten des Prozesskostenhilfeverfahrens. Vielmehr soll ihm mit der Regelung nur rechtliches Gehör gewährt werden; sie soll zudem Gerichte und Staatskasse in die Lage versetzen, unbegründete oder aussichtslose Anträge zu erkennen […].

Das Prozesskostenhilfeverfahren ist außerhalb und innerhalb des Zivilprozesses nach der gesetzlichen Regelung in den §§ 114 ff ZPO ein nicht streitiges, seinem Charakter nach der staatlichen Daseinsfürsorge zuzurechnendes Antragsverfahren, in dem sich als Beteiligte nur der Antragsteller und das Gericht als Bewilligungsstelle gegenüberstehen […]. Das Prozesskostenhilfeverfahren geht dem Hauptsacheverfahren voraus und richtet sich darauf, der bedürftigen Partei Rechtsschutz in einem bereits anhängigen oder beabsichtigten gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugänglich zu machen […]. Eine Beschwerde steht daher im Hinblick auf Verfahrensfragen nur der Prozesskostenhilfe begehrenden Partei zu. […]

Es ist auch nicht erforderlich, dem Antragsgegner eine Beschwerdebefugnis zuzubilligen. Denn er wird durch die Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an ein anderes Gericht nicht beschwert. Er hat weder ein besonderes Interesse daran, dass ein bestimmtes Gericht über den Prozesskostenhilfeantrag entscheidet, noch hat eine Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens an ein anderes Gericht für den Antragsgegner nachteilige Wirkungen. Denn die Entscheidung über das für das Prozesskostenhilfeverfahren zuständige Gericht wirkt nicht für das Hauptsacheverfahren […].“

Schließlich wendet sich der Senat der Anwendbarkeit von § 17a Abs. 4 GVG im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren zu:

„Eine Beschwerdemöglichkeit ergibt sich nicht aus § 17a Abs. 4 Satz 3, 4 GVG. Zwar sehen diese Vorschriften Rechtsmittel im Verfahren über die Zulässigkeit des Rechtsweges vor. Diese Vorschriften gelten jedoch im Prozesskostenhilfeverfahren weder unmittelbar noch entsprechend.

Dabei kann dahinstehen, ob – wie das Beschwerdegericht annimmt – im Prozesskostenhilfeverfahren eine Verweisung des Prozesskostenhilfeverfahrens entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1 GVG möglich ist oder ob nur eine – einen entsprechenden Antrag voraussetzende – einfache Abgabe des Prozesskostenhilfeverfahrens […] an ein Gericht eines anderen Rechtsweges in Betracht kommt.

Jedenfalls besteht selbst im Falle einer von Amts wegen auszusprechenden und für das Gericht, an das das Prozesskostenhilfeverfahren verwiesen wird, hinsichtlich des Rechtswegs bindenden Verweisung durch das mit dem Prozesskostenhilfeantrag befasste Gericht entsprechend § 17a Abs. 2 Satz 1, 3 GVG kein Grund, hinsichtlich der Verweisungsentscheidung die in § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG geregelten Rechtsmittel zu eröffnen. Vielmehr verbleibt es auch in diesem Fall bei den im Prozesskostenhilfeverfahren allgemein gegebenen Rechtsmitteln.

Das in § 17a Abs. 4 GVG geregelte Rechtsmittelverfahren bezieht sich auf Entscheidungen über die Zulässigkeit des Rechtswegs in einem anhängigen Rechtsstreit. Diese Bestimmungen sind nach allgemeiner Meinung – die auch das Beschwerdegericht teilt – im Prozesskostenhilfeverfahren nicht unmittelbar anzuwenden. […]

b) Die Bestimmungen des § 17a Abs. 4 Satz 3 bis 6 GVG sind im Prozesskostenhilfeverfahren auch nicht entsprechend anzuwenden. Die in einem Prozesskostenhilfeverfahren vorgesehenen Rechtsmittel sind vom Gesetzgeber bewusst eingeschränkt worden, wie sich aus § 127 ZPO ergibt.“

Anmerkung

Ob die Vorschriften der §§ 17-17b GVG im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren überhaupt anwendbar sind, hat der Bundesgerichtshof übrigens bislang immer offen gelassen; die Frage ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung und Literatur äußerst umstritten (gegen eine Anwendbarkeit beispielsweise Zöller/Lückemann, ZPO, 31. Aufl. 2016, Vorb. zu §§ 17-17b GVG Rn. 12 mit einer Vielzahl an Nachweisen).

Eine Verweisung gem. § 17a GVG im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ist jedoch nach Ansicht des BGH jedenfalls nicht willkürlich (Beschluss vom 26.07.2001 - X ARZ 132/01) und daher für das Gericht, an das verwiesen wird, bindend (Beschluss vom 30. 7. 2009 - Xa ARZ 167/09). Dieses muss daher über den PKH-Antrag in der Sache entscheiden und nach Bewilligung ggf. im Prozess gem. § 17a Abs. 2 GVG zurückverweisen.

tl;dr: Gegen Entscheidungen im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren stehen dem Prozessgegner auch dann keine Rechtsmittel zu, wenn das Gericht diese ausdrücklich zugelassen hat. Eine „Rechtswegverweisung“ im Prozesskostenhilfeprüfungsverfahren ist nicht anfechtbar und bindend.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 25.02.2016 – IX ZB 61/15. Foto: ComQuat | wikimedia.org | CC BY-SA 3.0