BGH: Sofortiges Anerkenntnis und Kostenbeschwerde bei Zug-um-Zug-Verurteilung

Markus Bernet wikimedia.org CC BY-SA 2.5Der letzte Beitrag dieses Jahres betrifft die Regelung des § 93 ZPO, und zwar bei einem (sofortigen) Anerkenntnis unter Vorbehalt einer Zug-um-Zug-Verurteilung.

Mit Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13 hat sich der Bundesgerichtshof mit zwei damit zusammenhängenden Fragen befasst, nämlich einerseits mit der Anwendbarkeit von § 93 ZPO, wenn sich die beklagte Partei (nur) auf ein Zurückbehaltungsrecht beruft, und andererseits mit der Statthaftugkeit einer sofortigen Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 ZPO gegen die Kostenentscheidung.

Sachverhalt

Der Kläger verkaufte der Beklagten ein Grundstück und bewilligte dieser eine Auflassungsvormerkung. Von diesem Kaufvertrag traten beide Parteien zurück. Im Vertrag war für den Fall eines Rücktritts vereinbart, dass der Kläger die von der Beklagten übernommenen Notar- und Grundbuchkosten tragen sollte.

Der Kläger verklagte daraufhin die Beklagte auf Zustimmung zur Löschung der Auflassungsvormerkung. Die Beklagte erkannte den Anspruch an, aber nur Zug um Zug gegen Erstattung der Vertragskosten. Da der Kläger seine Klage daraufhin nicht auf eine Zug-um-Zug-Verurteilung beschränkte (vgl. § 264 Nr. 2 ZPO), verhandelte das Landgericht über den Gegenanspruch streitig, verurteilte den Beklagten aber nur unter dem Zug-um-Zug-Vorbehalt. Die Kosten des Rechtsstreits legte das Landgericht dem Beklagten auf.

Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten änderte das Oberlandesgericht die Kostenentscheidung ab und erlegte die Kosten dem Kläger auf. Dagegen wendete sich der Kläger mit der Rechtsbeschwerde.

Nachdem der Kaufvertrag hier nicht durchgeführt worden war, wollte der Kläger die zugunsten der Beklagten eingetragene Vormerkung wieder auf dem Grundbuch heraushaben. Dafür war die Zustimmung der Beklagten erforderlich, § 19 GBO. Diese wollte die Zustimmung allerdings nur erteilen, wenn ihr der Kläger - wie vereinbart - die verauslagten Vertragskosten erstattete. Darauf wollte sich der Kläger aber nicht einlassen.

Der Kläger verklagte daher die Beklagte und stellte einen unbedingten Klageantrag, wollte also die Zustimmung zur Löschung der Vormerkung erreichen, ohne im Gegenzug die Kosten tragen zu müssen. Die Beklagte erkannte den Anspruch (Zustimmung zur Löschung der Vormerkung) an, allerdings nur unter dem Vorbehalt, dass sie Zug zum Zug gegen Zahlung der Kosten verurteilt würde.

Hätte der Kläger daraufhin seine Klage teilweise zurückgenommen und nur noch eine Zug-um-Zug-Verurteilung begehrt, hätte das Gericht ein Anerkenntnisurteil (mit einem Zug-um-Zug-Vorbehalt) erlassen können. Der Kläger hatte allerdings weiter eine Verurteilung ohne diesen Vorbehalt begehrt, so dass über die Gegenforderung verhandelt worden war. Am Ende war aber doch eine Verurteilung der Beklagten Zug um Zug gegen Erstattung der Kosten herausgekommen.

Das Landgericht die Kosten dem Beklagten auferlegt. Damit war dieser nicht einverstanden. Der Beklagte hatte dagegen aber nicht etwa Berufung eingelegt (was er grundsätzlich müsste, weil Kostenentscheidungen gem. § 99 Abs. 2 ZPO eigentlich nicht isoliert anfechtbar sind), sondern die sofortige Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 ZPO. Zur Begründung hatte er sich darauf berufen, er habe den mit der Klage geltend gemachten Anspruch (Zustimmung zur Löschung der Vormerkung) gem. § 93 ZPO sofort anerkannt und keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben. Das OLG war dem gefolgt und hatte die Kosten dem Kläger auferlegt. Dagegen hatte sich der Kläger mit der sofortigen Beschwerde gewandt.

Der BGH musste nun also zwei Fragen beantworten: 1.) War die sofortige Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 ZPO überhaupt zulässig, weil ja kein Anerkenntnisurteil sondern ein „normales", streitiges Urteil ergangen war? Und 2.): War § 93 ZPO anwendbar mit der Folge, dass der Kläger die Kosten zu tragen hatte?

Entscheidung
Der BGH wendet sich zunächst der Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde zu:

„Die sofortige Beschwerde nach § 99 Abs. 2 ZPO ist auch statthaft, wenn ein Urteil auf Grund eines entsprechenden Anerkenntnisses unter einem Zug-um-Zug-Vorbehalt erfolgt, über den streitig entschieden wird.

aa) Der Beklagte erkennt den Klageanspruch an, wenn er gegenüber dem Kläger und dem Prozessgericht den Klageanspruch unmissverständlich, unbedingt und regelmäßig vorbehaltlos zugesteht […]. Diesen Anforderungen genügt ein Anerkenntnis, das unter dem Vorbehalt einer Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistung erfolgt; auch dieses ist ein prozessuales Anerkenntnis […].

Ein Urteil, das auf ein solches prozessuales Anerkenntnis hin ergeht, ist zwar kein Anerkenntnisurteil im Sinne von § 307 ZPO, selbst wenn es ein wirksames Anerkenntnis als Entscheidungsgrundlage hat […]. Die Vorschrift des § 93 ZPO, deren Anwendung mit der sofortigen Beschwerde nach § 99 Abs. 2 ZPO zur Überprüfung durch das Beschwerdegericht gestellt werden kann, setzt aber auch nicht voraus, dass ein Anerkenntnisurteil im Sinne von § 307 ZPO ergeht […].

bb) Auch ein Anerkenntnis, das unter dem beschriebenen Vorbehalt erfolgt, führt zur vollständigen Erledigung in der Hauptsache in qualitativer Hinsicht, wenn der Kläger die streitige Entscheidung über den Vorbehalt zu seinen Lasten hinnimmt und Berufung nicht einlegt. In dieser Konstellation besteht ein Bedürfnis für die Statthaftigkeit der Beschwerde. Denn der Beklagte hätte sonst keine Möglichkeit, eine fehlerhafte Anwendung von § 93 ZPO zu seinen Lasten durch das erkennende Gericht mit einem Rechtsmittel überprüfen zu lassen. Dieses Ergebnis entspräche nicht dem Plan des Gesetzgebers. Die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung ist mit § 99 Abs. 2 ZPO vorgesehen worden, um eine solche Überprüfung zu ermöglichen.

Es besteht kein Grund, dem Beklagten die sofortige Beschwerde nach § 99 Abs. 2 ZPO zu versagen, wenn sich die Hauptsache auf Grund eines Anerkenntnisses vollständig erst dadurch erledigt, dass der Kläger die ihm mögliche Berufung nicht einlegt.

cc) Ein solcher Grund dafür ergibt sich weder daraus, dass das Beschwerdegericht sonst zur Entscheidung über das Zurückbehaltungsrecht genötigt wäre, noch daraus, dass die Statthaftigkeit der sofortigen Beschwerde nach§ 99 Abs. 2 ZPO zu einer Doppelanfechtung des Urteils durch beide Parteien mit verschiedenen Rechtsmitteln führen kann.

(1) Wenn der Kläger die an sich mögliche Berufung nicht einlegt und nach Ablauf der Berufungsfrist entschieden wird, kann es zu divergierenden Entscheidungen nicht kommen. Das Beschwerdegericht muss nicht über das Zurückbehaltungsrecht entscheiden. Denn in diesem Fall steht rechtskräftig fest, dass der Beklagte die anerkannte Forderung nur Zug um Zug gegen Erbringung der anderen Leistung – hier des Erstattungsanspruchs – zu erfüllen hat. Daran ist das Beschwerdegericht gebunden.

(2) Das Gericht darf sich auch dann nicht mit dem Zurückbehaltungsrecht befassen, wenn die Berufungsfrist noch nicht abgelaufen ist oder der Kläger die Berufung eingelegt hat. In dieser Konstellation sind zwar zwei parallele Rechtsmittel möglich. Es steht auch (noch) nicht rechtskräftig fest, dass das Zurückbehaltungsrecht besteht. Beides darf aber nicht dazu führen, einer Partei das Rechtsmittel zu nehmen, das ihr nach dem Willen des Gesetzes zustehen soll. Solche Schwierigkeiten sind vielmehr durch die mit den Rechtsmitteln befassten Gerichten zu bewältigen und auszugleichen.  […]

Das Beschwerdegericht muss deshalb durch eine entsprechende Verfahrensgestaltung sicherstellen, dass es über die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung nach § 99 Abs. 2 ZPO nicht zu einem Zeitpunkt entscheidet, in dem noch nicht rechtskräftig geklärt ist, ob das Zurückbehaltungsrecht besteht.

Meist wird es genügen, die Entscheidung über die sofortige Beschwerde bis zum Ablauf der Berufungsfrist oder bis zur Entscheidung über eine eingelegte Berufung zurückzustellen. Lassen sich auf diese Weise divergierende Entscheidungen und die von dem Gesetzgeber nicht gewollte Befassung des Beschwerdegerichts mit der streitig entschiedenen Frage nach dem Zurückbehaltungsrecht vermeiden, kann dem Beklagten das ihm an sich zugedachte und bei Ausbleiben einer Berufung auch einzig mögliche Rechtsmittel nicht versagt werden.“

Der BGH hält es auch für richtig, die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger aufzuerlegen:

„Nach § 93 ZPO sind dem Kläger die Prozesskosten aufzuerlegen, wenn der Beklagte keine Veranlassung zur Klageerhebung gegeben hat und den geltend gemachten Anspruch sofort anerkennt. […]

aa) Veranlassung zur Klage ist gegeben, wenn Tatsachen vorliegen, die im Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen […].

bb) Das Vorliegen solcher Tatsachen verneint das Beschwerdegericht. Dagegen ist entgegen der Ansicht des Klägers nicht deshalb etwas einzuwenden, weil sich die Beklagte vorprozessual nur auf ihren Anspruch auf Ersatz der Vertragskosten berufen, nicht aber auch erklärt hat, bei Erstattung dieser Kosten die vom Kläger verlangte Löschungsbewilligung abgeben zu wollen.

Die Erklärung der Leistungsbereitschaft bei Erfüllung des Anspruchs, auf welchen ein geltend gemachtes Zurückbehaltungsrecht gestützt wird, lässt zwar die Veranlassung zur Klageerhebung entfallen […]. Sie ist aber nicht Voraussetzung hierfür. Entscheidend ist vielmehr, ob der Kläger nach dem Verhalten des Schuldners erwarten kann, nur durch eine Klage zu seinem Recht zu kommen.

Diese Erwartung wird in aller Regel auch dann nicht begründet sein, wenn der Schuldner zu erkennen gibt, dass er die Leistung nur wegen eines Gegenanspruchs zurückhält und dieser Anspruch besteht. Denn dann kann der Kläger auch ohne zusätzliche besondere Erklärungen des Schuldners vernünftigerweise damit rechnen, dass dieser lediglich die Erfüllung des Anspruchs erreichen will, auf dessen Grundlage er die Erbringung der verlangten Leistung (zunächst) verweigert, und leisten wird, wenn der Anspruch erfüllt wird. So liegt es hier. Den Anlass für die Klage gab nicht das Verhalten der Beklagten, sondern der Umstand, dass der Kläger deren Vorbehalt nicht akzeptieren und seinen Anspruch ohne die Erfüllung des Anspruchs der Beklagten durchsetzen wollte.“

Anmerkung

Die Entscheidung vereinfacht die Lage für Schuldner, die sich auf ein Zurückbehaltungsrecht berufen: Sie können eine Klage des Gläubigers bedenkenlos abwenden, solange sie den mit der Klage geltend gemachten Anspruch innerhalb der Klageerwiderungsfrist Zug um Zug anerkennen. Erlegt das Gericht ihnen die Kosten auf, können sie sich dagegen mit der sofortigen Bescherde gem. § 99 Abs. 2 ZPO wenden. Gerade letzteres ist m.E. auch das gewichtigste Argument, die sofortige Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 ZPO zuzulassen, auch wenn es dann ausnahmsweise zu zwei Rechtsmitteln kommen könnte: Ohne die sofortige Beschwerde könnte der Beklagte die Kostenentscheidung nämlich nicht überprüfen lassen, denn er wäre durch die Zug-um-Zug-Verurteilung ja nicht beschwert.

Einen sehr guten Überblick über die verschiedenen Konstellationen des sofortigen Anerkenntnisses bei Zug-um-Zug-Verurteilungen gibt übrigens Arz, NJW 2014, 2828 f.

Und zum Schluss: Allen Lesern und Leserinnen angenehme Feiertage!

tl;dr: Die sofortige Beschwerde gem. § 99 Abs. 2 ZPO ist auch statthaft, wenn die beklagte Partei nach einem entsprechenden Anerkenntnis Zug um Zug verurteilt wird. Beruft sich die beklagte Partei auf ein Zurückbehaltungsrecht, gibt sie i.d.R. keinen Anlass zur Klageerhebung i.S.d. § 93 ZPO.

Anmerkung/Besprechung, Bundesgerichtshof, Beschluss vom 22.10.2015 – V ZB 93/13. Foto: Markus Bernet | wikimedia.org | CC BY-SA 2.5