BGH zum Rechtsbehelf bei Entscheidungen staatlicher Gerichte zur Unterstützung für ein Schiedsgericht
Wer von einem staatlichen Gericht als Zeuge geladen wird, ist grundsätzlich verpflichtet, zu erscheinen und auszusagen (§§ 380, 395 f. ZPO). Diese Pflicht kann mit Ordnungsmitteln durchgesetzt werden. Vor einem Schiedsgericht besteht diese Pflicht nicht. Daher sind Schiedsgerichte auf die Unterstützung staatlicher Gerichte angewiesen, wenn es um Zeugen geht, die nicht aus freien Stücken zur Aussage vor dem Schiedsgericht bereit sind (§ 1050 ZPO). Wie genau der Rechtsschutz gegen Entscheidungen der staatlichen Gerichte über solche Anträge auf gerichtliche Unterstützung bei der Beweisaufnahme im Rahmen eines Schiedsverfahrens ausgestaltet ist, war in der Literatur bislang umstritten. Der Bundesgerichtshof hat mit Beschluss vom 20. Februar 2020 – I ZB 45/19 entschieden, dass die Entscheidung des ersuchten Gerichts, gerichtliche Unterstützung bei der Beweisaufnahme während eines Schiedsverfahrens zu gewähren, nicht mit der sofortigen Beschwerde anfechtbar ist. Soweit das staatliche Gericht dem Antrag auf Unterstützung des Schiedsgerichts stattgibt, ist seine Entscheidung damit unanfechtbar.
Grundsätzlich liegt die Zuständigkeit für die Begleitung von Schiedsverfahren durch die staatlichen Gerichte nach § 1062 Abs. 1 ZPO bei den Oberlandesgerichten. Von der Konzentrationsermächtigung in § 1062 Abs. 5 hatten zunächst nur Bayern und Rheinland-Pfalz Gebrauch gemacht und die Zuständigkeit den Oberlandesgerichten in München und Koblenz zugewiesen. Mit Wirkung zum 1. Juli 2019 hat Nordrhein-Westfalen die Zuständigkeit auf das Oberlandesgericht Köln konzentriert.
§ 1062 Abs. 4 ZPO sieht eine Ausnahme von der OLG-Zuständigkeit vor: Die Zuständigkeit für das Verfahren nach § 1050 ZPO liegt aufgrund der Orts- und der Praxisnähe sowie im Einklang mit den Regelungen zur Rechtshilfe bei dem Amtsgericht, in dessen Bezirk die richterliche Handlung vorzunehmen ist.
In der Literatur wurde bislang teilweise vertreten, dass Entscheidungen der staatlichen Gerichte über die Unterstützung von Schiedsgerichten in entsprechender Anwendung von § 159 Abs. 1 Satz GVG anfechbar seien. § 159 Abs. 1 GVG betrifft die Rechtshilfe, die staatliche Gerichte anderen innerstaatlichen oder ausländischen Gerichten gewähren. Die wohl überwiegende Meinung sprach sich für die Anwendung von § 567 Abs. 1 ZPO aus, wobei hier zum Teil vertreten wurde, dass - über den Wortlaut hinaus, nicht nur die Unterstützung ablehnende Entscheidungen, sondern auf solche, die die Unterstützung des Schiedsgerichts gewähren, angreifbar sein sollten.
Entscheidung
Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass sich die Anfechtbarkeit einer Entscheidung des Amtsgerichts über die Unterstützung eines Schiedsgerichts bei der Beweisaufnahme allein nach § 567 Abs. 1 ZPO richtet. § 159 Abs. 1 Satz GVG sei nicht entsprechend anwendbar. Zudem stellt der Bundesgerichtshof klar, dass § 567 Abs. 1 ZPO auch nicht dahingehend weit auszulegen sei, dass die sofortige Beschwerde nicht nur in dem Fall zulässig ist, in dem das staatliche Gericht die Unterstützung des Schiedsgerichts ablehnt, sondern auch – wie im hier zu entscheidenden Fall – in dem Fall, dass das staatliche Gericht dem Antrag auf Unterstützung des Schiedsgerichts stattgibt. Zur entsprechenden Anwendbarkeit von § 159 Abs. 1 Satz GVG führt der Bundesgerichtshof aus:„Die Frage ist bislang noch nicht höchstrichterlich geklärt. Dass Entscheidungen des Amtsgerichts nach § 1050 Satz 1 ZPO generell der Anfechtung entzogen seien, wird - soweit ersichtlich - nicht vertreten. Einzelne Stimmen in der Literatur sprechen sich für eine Anfechtbarkeit „in Anlehnung an“ § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG aus (…). Die überwiegende Auffassung geht dahin, eine Anfechtbarkeit unter Anwendung der allgemeinen Vorschriften zur sofortigen Beschwerde - insbesondere § 567 Abs. 1 ZPO - zuzulassen (…). Die zuletzt genannte Auffassung ist zutreffend. Die Gesetzgebungsmaterialen zur am 1. Juli 1998 in Kraft getretenen Reform des Schiedsverfahrens sprechen für die Anwendung der allgemeinen Vorschriften und gegen die generelle Unanfechtbarkeit von Entscheidungen des Amtsgerichts nach § 1050 Satz 1 ZPO. Im Regierungsentwurf des Reformgesetzes wird die Gefahr, dass Rechtsmittel das noch laufende Schiedsverfahren erheblich stören könnten, zwar ausdrücklich benannt. Sie dient insbesondere als Begründung dafür, die Zuständigkeit für Entscheidungen der staatlichen Gerichte während des Schiedsverfahrens und nach dem Schiedsverfahren bei den Oberlandesgerichten zu bündeln (…). Damit geht auch die Intention einher, die Rechtsmittel gegenüber der früheren Rechtslage stark einzuschränken (…). Soweit in der Begründung zu § 1065 ZPO ausgeführt wird, dass „die Entscheidungen der staatlichen Gerichte im übrigen“ unanfechtbar sein sollen (…), bezieht sich dies aber nur auf die in § 1062 Abs. 1 ZPO geregelten Zuständigkeiten der Oberlandesgerichte. Mit der Ausnahmeregelung des § 1062 Abs. 4 ZPO hat sich der Gesetzgeber bewusst dafür entschieden, die Zuständigkeit für das Verfahren nach § 1050 ZPO aufgrund der Orts- und der Praxisnähe sowie im Einklang mit den Regelungen zur Rechtshilfe bei dem Amtsgericht anzusiedeln, in dessen Bezirk die richterliche Handlung vorzunehmen ist (…). Die Erläuterung zu § 1050 Satz 2, dass Anträge nach § 1050 Satz 1 ZPO gemäß den für die staatlichen Gerichte geltenden Verfahrensvorschriften, also nach den einschlägigen Vorschriften der Zivilprozessordnung, zu erledigen sind (...), legt nahe, dass sich auch die Anfechtbarkeit von Beschlüssen des Amtsgerichts nach den allgemeinen Vorschriften richten soll. Es besteht somit keine Regelungslücke, die durch entsprechende Anwendung des § 159 Abs. 1 Satz 1 GVG auf Unterstützungsersuchen nach § 1050 Satz 1 ZPO geschlossen werden müsste.“Eine erweiternde Auslegung von § 567 Abs. 1 Nr. 2 ZPO verwirft der Bundesgerichtshof mit dem Argument, dass die Zulassung der sofortigen Beschwerde gegen eine stattgebende Entscheidung des Amtsgerichts eine sachlich nicht gerechtfertigte Besserstellung des Beweisgegners darstellte, verglichen mit der Situation in einem Schiedsverfahren, bei dem die Beweisaufnahme ohne Unterstützung des Amtsgerichts durchgeführt wird. Im umgekehrten Fall hingegen gebe es ein Rechtsschutzbedürfnis, denn aufgrund der fehlenden Befugnis des Schiedsgerichts, Zwangsmittel anzuwenden, sei bei Ablehnung der Hilfe durch das staatliche Gericht das Beweismittel praktisch verloren.