Erst Miete, dann hilfsweise Nutzungsentschädigung - Keine Klageänderung

ComQuat wikimedia.org CC BY-SA 3.0Dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 13.11.2014 – IX ZR 267/13 liegt einer dieser Sachverhalte zugrunde, wie man ihn sich skurriler kaum ausdenken könnte.

Sachverhalt

Der Kläger vermietete dem Beklagten – einem Rechtsanwalt – Kanzleiräume. Die Höhe der Miete richtete sich nach dem Umsatz der Anwaltskanzlei, weshalb der Anwalt monatlich über seine Umsätze Rechnung zu legen hatte. Gleichzeitig vertrat der Beklagte den Kläger auch in Mietstreitigkeiten mit anderen Mietern.

Nachdem der Beklagte die Auskünfte allerdings wohl nicht wie vereinbart erteilt hatte, nahm der Kläger ihn im Wege der Stufenklage auf Auskunft über seine Umsätze für Januar bis Dezember 2008 sowie auf Zahlung der sich daraus ggf. ergebenden Miete in Anspruch. Die Vorinstanzen hatten gegen die Vereinbarung wegen § 134 BGB i.V.m. § 49b BRAO Bedenken geäußert, da der Beklagte möglicherweise vom Kläger im Ergebnis zu niedrige Gebühren gefordert haben könnte. In der Berufungsinstanz hatte der Kläger daher hilfsweise Nutzungsentschädigung für den genannten Zeitraum in Höhe von 22.412,99 EUR verlangt.

Das Berufungsgericht hatte die Klage insgesamt abgewiesen. Der Hauptantrag sei wegen der Nichtigkeit des Vertrages unbegründet. Der Hilfsantrag sei schon unzulässig, weil es sich um eine Klageänderung handele, in die der Beklagte nicht eingewilligt habe und die auch nicht sachdienlich sei.

Fehlen dem Kläger Informationen aus der Sphäre des Beklagten, um seinen Klageantrag zu beziffern oder konkretisieren, geht er zweckmäßigerweise im Wege der Stufenklage gem. § 254 ZPO vor. Dann begehrt er vom Beklagten gleichzeitig Auskunft über die für die Bezifferung ihres Anspruchs erforderlichen Umstände (erste Stufe) und stellt einen unbezifferten Zahlungs- bzw. Herausgabeantrag (zweite Stufe). Teilweise wird zusätzlich auch noch ein Anspruch auf eidesstattliche Versicherung der Richtigkeit und Vollständigkeit der Auskunft geltend gemacht, so dass sich insgesamt drei Stufen ergeben. Praktisch wohl häufigster Fall einer Stufenklagen ist eine familienrechtliche Klage auf Unterhalt, bei der zunächst Auskunft über die Höhe des Einkommens des Beklagten begehrt wird.

Das Gericht prüft dann zunächst, ob ein Auskunftsanspruch und dem Grunde nach auch ein Zahlungsanspruch bestehen. Ist beides der Fall, ergeht zunächst ein Teilurteil, mit dem der Beklagte zur Erteilung der Auskunft bzw. zur Rechnungslegung verurteilt wird. Auf Grundlage dieser Auskunft muss der Kläger dann seinen Zahlungsanspruch beziffern, über den dann ein Schlussurteil ergeht. Obwohl über die Ansprüche der Reihe nach entschieden wird, werden also sämtliche Ansprüche (Auskunft, Zahlung und ggf. eidesstattliche Versicherung) gleichzeitig erhoben (objektive Klagehäufung gem. § 260 ZPO), wobei die Bezifferung des Zahlungsantrages vorbehalten bleibt. Deshalb werden bereits mit Erhebung der Stufenklage auch sämtliche Ansprüche rechtshängig, d. h. auch der Zahlungsanspruch.

So war der Kläger hier vorgegangen und hatte vom Beklagten zunächst Auskunft darüber verlangt, wie hoch seine Umsätze des Beklagten im fraglichen Zeitraum waren. Auf Grundlage dieser Auskünfte hätte er dann seinen Anspruch auf Mietzahlung beziffern können. Da die Vorinstanzen die Vereinbarung aber für unwirksam hielten, hatte der Berufungsinstanz hilfsweise auch Zahlung eines konkret bezifferten Geldbetrages als Nutzungsentschädigung (aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 BGB) verlangt. Das hatten die Vorinstanzen – erstaunlicherweise! – für einen anderen Streitgegenstand gehalten und daher an den Vorschriften über die Klageänderung geprüft (§§ 533 Ziff. 1, 263, 264 ZPO).

Entscheidung

Der BGH hat einerseits nur wenig Bedenken gegen das Vergütungsmodell, da dies nicht die Höhe der vom Beklagten geltend gemachten Gebühren, sondern lediglich deren Verwendung betreffe.

Insbesondere hält er aber die Abweisung der Klage mit dem Hilfsantrag für prozessordnungswidrig. Denn es liege keine Klageänderung vor.

„Der Hilfsantrag war zulässig und hätte sachlich beschieden werden müssen, nachdem das Berufungsgericht den Hauptantrag für unbegründet erachtete. Der in der Berufungsbegründung erstmals gestellte Hilfsantrag führte nicht zu einer Klageänderung im Sinne von §§ 533, 263 ZPO.

a) Der Begriff der Klageänderung in § 533 ZPO entspricht demjenigen in §§ 263, 264 ZPO. Wird nachträglich, also nach Rechtshängigkeit der Klage, ein neuer prozessualer Anspruch unbedingt oder hilfsweise geltend gemacht, liegt in der Regel eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO vor.

b) Der Kläger hat den im Hauptantrag im Wege der Stufenklage geltend gemachten Anspruch auf Miete aus einem zwischen ihm und dem Beklagten geschlossenen Mietvertrag in Verbindung mit der Überlassung der Mieträume hergeleitet, den Anspruch auf Nutzungsentschädigung hingegen aus § 812 BGB.

Darin liegt jedoch noch keine Klageänderung. Mit der Klage wird nicht ein bestimmter materiellrechtlicher Anspruch geltend gemacht. Gegenstand des Rechtsstreits ist vielmehr der als Rechtsschutzbegehren oder Rechtsfolgenbehauptung aufgefasste eigenständige prozessuale Anspruch, der sich aus Klageantrag und Klagegrund - dem Lebenssachverhalt, aus dem der Kläger die begehrte Rechtsfolge herleitet - zusammensetzt […]. Der Bundesgerichtshof hat bereits entschieden, dass ein Kläger, der eine vertragliche Vergütung fordert, sich nachträglich aber hilfsweise auf gesetzliche Anspruchsgrundlagen […] beruft, keine Klageänderung vornimmt […].

c) Dass der Kläger als Hauptantrag bisher nur den Auskunftsanspruch gestellt hatte, führt ebenfalls nicht dazu, dass der Hilfsantrag als Klageänderung anzusehen wäre. Im Falle einer Stufenklage gemäß § 254 ZPO werden sämtliche Ansprüche rechtshängig, auch der noch unbestimmte Zahlungsanspruch […]. Der auf Zahlung gerichtete Hilfsantrag blieb also, was den Grund des Anspruchs im prozessualen Sinne angeht, im Rahmen der schon rechtshängigen Ansprüche, aus denen sich die Stufenklage zusammensetzte.

d) Der Zahlungsanspruch, der Teil der Stufenklage war, war allerdings noch nicht beziffert worden, während der Hilfsantrag auf Zahlung einer bestimmten Geldsumme gerichtet war.

Gemäß § 264 Nr. 2 ZPO ist es jedoch nicht als Klageänderung anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache erweitert wird. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs […] fällt der Übergang von einem nicht bezifferten Feststellungsantrag zu einem bezifferten Zahlungsantrag unter § 264 Nr. 2 ZPO. Wird zunächst eine Stufenklage erhoben und der Auskunftsantrag gestellt, stellt der Kläger dann aber, ohne die Bescheidung des Auskunftsanspruchs abzuwarten, sogleich den Zahlungsantrag, ist dieser Antrag ebenfalls nach § 264 Nr. 2 ZPO zulässig. Um eine Klageänderung handelt es sich nicht […].

Für einen neben einer Stufenklage hilfsweise geltend gemachten, auf dem nämlichen Klagegrund beruhenden Zahlungsanspruch kann nichts anderes gelten, auch dann nicht, wenn sich die Stufenklage noch im Stadium des Auskunftsanspruchs befindet und der Zahlungsanspruch deshalb noch nicht beziffert war.“

tl;dr: Es liegt keine Klageänderung vor, wenn der Kläger zunächst Mietzahlung und später hilfsweise Nutzungsentschädigung verlangt. Das gilt auch dann, wenn der im Wege der Stufenklage geltend gemachte Hauptantrag bei Erhebung des Hilfsantrags noch nicht beziffert war.

Anmerkung/Besprechung, BGH, Urteil v. 13.11.2014 – IX ZR 267/13. Foto: ComQuat |wikimedia.org | CC BY-SA 3.0