Die eidesstattliche Versicherung
Dass das Gericht insoweit seine Überzeugung auf eine lediglich schriftliche Stellungnahme der Parteien oder Dritter stützen darf, hat seine Grundlage in § 156 StGB: Denn danach wird derjenige, der vor einer zur Abnahme einer Versicherung an Eides Statt zuständigen Behörde eine solche Versicherung falsch abgibt oder unter Berufung auf eine solche Versicherung falsch aussagt, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft. Mit anderen Worten: Gibt der Zeuge eine schriftliche eidesstattliche Versicherung ab, die sodann bestimmungsgemäß (vgl. BayObLG, Urteil vom 23.02.1995 - 5 St RR 79/94; Matt/Renzikowski-Norouzi, StGB, 2. Aufl., § 156 Rn. 6 mwN) einer Behörde, z.B. einem Zivilgericht vorgelegt wird, macht er sich bei falschen Angaben – die weiteren Tatbestandsvoraussetzungen unterstellt – strafbar. Ist ein Dritter oder eine Partei also bereit, sich mit seiner Aussage der Gefahr der Strafbarkeit auszusetzen, kann dies auf die Überzeugungsbildung des Gerichts im Rahmen von § 294 ZPO einen ganz erheblichen Einfluss haben (Wehlau/Kalbfus, MittPat 2011, 165 mwN). Probleme im elektronischen Rechtsverkehr ergeben sich daraus, dass eine Strafbarkeit gem. § 156 StGB erfordert, dass die eidesstattliche Versicherung entweder mündlich oder schriftlich im Original abgegeben wird. Die Vorlage einer Abschrift genügt nicht, und zwar selbst dann nicht, wenn diese von einem Rechtsanwalt beglaubigt ist (s. nur MünchKommStGB/H.E. Müller, 4. Aufl., § 156 Rn. 12; Schönke/Schröder/Bosch/Schittenhelm, StGB, 30. Aufl., § 156 Rn. 19; jew. mwN). Liegt das Original nicht vor und fehlt es deshalb letztlich an der (möglichen) Strafbarkeit, mindert dies den Wert der eidesstattlichen Versicherung i.d.R. erheblich (vgl. OLG Frankfurt, Urteil vom 27.06.2019 – 6 U 6/19 Rn. 22, 30). Die eidesstattliche Versicherung schlicht per Fax zu übermitteln wäre deshalb zwar trotz § 130d ZPO zulässig, aber wenig zweckmäßig.
Eidesstattliche Versicherung und beA
Wird ein Antrag im einstweiligen Rechtsschutz oder beispielsweise ein Wiedereinsetzungsantrag im elektronischen Rechtsverkehr eingereicht und sollen die dem Antrag zugrundeliegenden Tatsachen an Eides statt versichert werden, stellt sich im elektronischen Rechtsverkehr das Problem, dass dieser im Wesentlichen für Erklärungen der Prozessbevollmächtigten ausgelegt ist: Prozessbevollmächtigte selbst könnten ohne Probleme im elektronischen Rechtsverkehr bestimmte Tatsachen an Eides statt versichern, wenn ihre Erklärung signiert und selbst per beA eingereicht wird, § 130a Abs. 3 Satz 1 Var. 2, Abs. 4 Nr. 2 ZPO (s. zum elektronischen Rechtsverkehr ausführlich den einführenden Beitrag von Müller hier im Blog). Die eidesstattliche Versicherung im einstweiligen Rechtsschutz oder im Wiedereinsetzungsantrag werden jedoch die Partei oder Dritte (wie insbesondere die „stets sorgfältige Rechtsanwalts-und Notarfachangestellte“) abgeben. Dabei ist zunächst wichtig, dass es auch unter Geltung des zum 1.1.2022 in Kraft tretenden § 130d ZPO möglich bleibt, eidesstattliche Versicherungen schriftlich einzureichen. Denn es handelt sich dabei um Beweismittel, für die § 130a ZPO nicht gilt. Mit einer Einreichung per Post geht jedoch ein gewisser Zeitverlust einher, außerdem kommt es auf Seiten der Prozessbevollmächtigten ebenso wie auf Seiten des Gerichts zu einem Medienbruch.
Möglichkeit 1: „Glaubhaftmachungskette“
Ein praktisch gangbarer und oft ausreichender Weg kann es insoweit sein, wenn die Prozessbevollmächtigte eine digitale Kopie der eidesstattlichen Versicherung vorlegt (vgl. zum Telefax BGH, Urteil vom 16.04.2002 – KZR 5/01 - Wettbewerbsverbot in Realteilungsvertrag, mwN). Noch runder wird es, wenn diese versichert, dass ihr die eidesstattliche Versicherung schriftlich vorliege, zusammen mit der Ankündigung, diese bei Bedarf sofort vorzulegen (vgl. zur entsprechenden Praxis bei Gegendarstellungsverfahren nach den Landespressegesetzen Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, Rn. 29.52). Da das Beweismaß im Rahmen des § 294 ZPO reduziert ist, kann dies bereits zur hinreichenden Überzeugungsbildung und damit zur erfolgreichen Glaubhaftmachung ausreichen, insbesondere in Eilverfahren, die ohnehin im Ansatz auf einer summarischen Prüfung beruhen. Ähnliche Überlegungen sind bisher zur Vorlage von persönlichen Erklärungen mittels Telefax angestellt worden (BGH, aaO: Übermittlung per Telefax durch den Anwalt reicht; teilweise wird verlangt, dass der Versichernde das Telefax selbst übermittelt, vgl. BayObLG, Urteil vom 23.02.1995 – 5 St RR 79/94; Wehlau/Kalbfus, MittPat 2011, 165, 166 f.; zur Eigenhändigkeit eines Gegendarstellungsverlangens nach § 9 HPresseG Seitz/Schmidt, Der Gegendarstellungsanspruch, 5. Aufl., Kap. 5 Rn. 124; Soehring/Hoene, Presserecht, 6. Aufl. 2019, Rn. 29.50; jew. mwN). Im Grunde beruht der hier gemachte Vorschlag daher auf einer „Glaubhaftmachungskette“: Da der Anwalt versichert, dass ihm das Original vorliegt und das Gericht das Ergebnis, nämlich den Inhalt der Erklärung, – wenn auch nur in digitaler Abschrift – zur Kenntnis nehmen kann, besteht für den Versichernden die Gefahr der Strafbarkeit jedenfalls bzw. spätestens in dem Augenblick, in dem der Anwalt die Versicherung auf Anforderung des Gerichts im Original vorlegt. Dies kann zur Überzeugungsbildung des Gerichts nach dem geminderten Maßstab des § 294 ZPO schon ausreichen.
Möglichkeit 2: Die „volldigitale“ eidesstattliche Versicherung
Sollen ein Medienbruch und gleichzeitig die vorstehenden „Behelfe“ vermieden werden, muss die Erklärung der Partei oder der dritten Person in einer Weise elektronisch eingereicht werden, die es dem Gericht ermöglicht, die Urheberschaft des Ausstellers zu prüfen. Das ermöglicht zunächst eine qualifiziert elektronische Signatur der Erklärung (beispielsweise mittels eines Fernsignaturanbieters, s. dazu Voigt/Herrmann/Danz, NJW 2020, 2991, 2992 f.) durch die an Eides statt versichernde Person. Eine solche eidesstattliche Versicherung als qualifiziert elektronisch signiertes PDF kann dann von der Prozessbevollmächtigten als Anlage zu einem Antrag im einstweiligen Rechtsschutz oder Wiedereinsetzungsantrag eingereicht werden. Diese Möglichkeit kann sich auch für andere Erklärungen anbieten, insbesondere für die Prozessvollmacht (s. §§ 80, 88 ZPO, § 174 BGB): Ist diese Vollmacht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, genügt dies dem Schriftformerfordernis des § 80 Abs. 1 ZPO, vgl. § 126a BGB. Ebenfalls möglich ist nach § 130a Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. ZPO eine einfache elektronische Signatur und die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg (kritisch Müller, NJW 2017, 2713, 2714). Das beA als Übermittlungsweg scheidet allerdings aus, so dass als solcher gegenwärtig praktisch wohl allenfalls die – allerdings kaum verbreitete – De-Mail in Betracht kommt (§ 130a Abs. 4 Nr. 1 ZPO). Ab dem 01.01.2022 kommt gem. § 130a Abs. 4 Nr. 5 ZPO n.F. ein Nutzerkonto nach dem OZG als weiterer sicherer Übermittlungsweg hinzu.
tl;dr: Die (elektronische) Glaubhaftmachung mittels eidesstattlicher Versicherung nach § 294 ZPO wirft gegenüber der (analogen) Einreichung neue Probleme auf. Diese lassen sich aber entweder (1) durch umsichtiges Vorgehen der Prozessbevollmächtigten, nämlich Vorlage einer digitalen Kopie der eidesstattlichen Versicherung mittels beA verbunden mit einer anwaltlichen Versicherung, dass das Original der eidesstattlichen Versicherung vorliegt und jederzeit vorgelegt werden kann oder alternativ (2) durch eine qualifiziert elektronische Signatur der Erklärung oder die Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg durch die die Versicherung abgebende Person lösen.