BGH: Keine Widerklage gegen Nebenintervenienten

Tobias Helferich wikimedia cc-by-sa 3.0Dieses Blog beginnt mit einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 07.11.2013 - VII ZR 105/13 zur Streitverkündung und zur (Dritt-)Widerklage.

Sachverhalt

Ein beklagter Generalunternehmer hatte den von ihm beauftragten Subunternehmern den Streit verkündet, woraufhin diese dem Rechtsstreit auf seiner Seite beigetreten waren. Dann hatte er gegen diese Widerklage erhoben mit dem Antrag, die Subunternehmer zu verurteilen, ihn von Ansprüchen der Klägerin freizustellen. Die Subunternehmer hatten ihrer Einbeziehung in den Rechtsstreit nicht zugestimmt.

Die Streitverkündung schützt eine regressberechtigte Partei davor, dass ein und derselbe Sachverhalt in einem späteren Regressprozess unterschiedlich festgestellt und bewertet wird als im aktuellen Verfahren. Die möglicherweise regressberechtigte Partei kann daher demjenigen, bei dem sie ggf. Regress nehmen will, den Streit verkünden, § 72 Abs. 1 ZPO. Ist diese Streitverkündung ordnungsgemäß erfolgt, muss der Streitverkündete das Ergebnis des Rechtsstreits gegen sich gelten lassen: Wenn er dem Rechtsstreit auf Seiten des Streitverkünders beitritt gem. §§ 74 Abs. 1 i.V.m. 68 ZPO, wenn er dem Rechtsstreit nicht oder auf Seiten des Gegners beitritt gem. §§ 74 Abs. 2 i.V.m. 68 ZPO. (S. dazu den sehr guten Beitrag von Knöringer in JuS 2007, 335 ff.)

Hier hatte der Beklagte "seinen" Subunternehmern aber nicht nur den Streit verkündet (um später bei diesen Regress nehmen zu können), sondern gegen diese auch Widerklage erhoben. Über die Zulässigkeit dieser Widerklage hatte der Bundesgerichtshof zu entscheiden. Neben der Rechtshängigkeit der Klage, die in aller Regel gegeben sein wird, können dabei insbesondere zwei weitere Voraussetzungen der Widerklage problematisch sein: Zum einen fordert der Bundesgerichtshof (zu unrecht) in ständiger Rechtsprechung, dass zwischen Klage und Widerklage ein innerer Zusammenhang „Konnexität“ besteht. Dabei beruft er sich auf den Wortlauf des § 33 ZPO („in Zusammenhang steht“). § 33 ZPO normiert aber nur einen besonderen Gerichtsstand für im Zusammenhang mit der Klage stehende Widerklagen; ist das Gericht nach allgemeinen Grundsätzen auch für die Widerklage zuständig, bedarf es richtigerweise keines besonderen Sachzusammenhangs. Zudem kann die Widerklage grundsätzlich nur gegen den Kläger erhoben werden (Parteiidentität). Gegen Dritte soll eine Widerklage nur zulässig sein, wenn 1) der Drittwiderbeklagte zustimmt oder eine Einbeziehung des Dritten zweckmäßig ist (subjektive Klagehäufung, § 263 ZPO), 2) das Gericht für die Klage gegen den Drittwiderbeklagten nach allgemeinen Grundsätzen zuständig ist (keine Privilegierung durch § 33 ZPO!) und 3) die Widerklage jedenfalls auch gegen den Kläger erhoben wird. Eine isolierte Drittwiderklage nur gegen einen Dritten lässt der Bundesgerichtshof dagegen nur in ganz seltenen Ausnahmefällen zu (für ein anschauliches Beispiel s. BGH NJW 2008, 2852 = JuS 2008, 1130 Karsten Schmidt).

Entscheidung

Gerade in Subunternehmerfällen war zuletzt in der Literatur thematisiert worden, ob nicht eine Drittwiderklage des Generalunternehmers gegen die von ihm beauftragten Subunternehmer aus prozessökonomischen Gründen zugelassen werden sollte (Schweer/Todorow, NJW 2013, 3004, 3007 f.; Boldt, BauR 2013, 287, 295 f.).

Der Bundesgerichtshof hält die Drittwiderklage aber – ebenso wie die Vorinstanzen – für unzulässig.

Dabei wendet er sich zunächst gegen die Ansicht der Revision, die Subunternehmer seien als Streitverkündete ohnehin Beteiligte des Verfahrens.

„Dritter im Sinne einer parteierweiternden Widerklage ist, wie der Senat bereits entschieden hat, jede Person, die weder Kläger noch Beklagter des anhängigen Verfahrens ist, auch wenn sie als Streithelfer am Prozess beteiligt ist […].“

Es handele sich deshalb um eine isolierte Drittwiderklage, die aber nur in ganz besonderen Ausnahmefällen zulässig sei.

„Diese Entscheidungen beruhen darauf, dass durch das Rechtsinstitut der Widerklage die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden soll. Zusammengehörende Ansprüche sollen einheitlich verhandelt und entschieden werden können […]. Ausschlaggebend ist, dass die Gegenstände der Klage und der Drittwiderklage tatsächlich und rechtlich eng miteinander verknüpft sind und keine schutzwürdigen Interessen des Drittwiderbeklagten durch seine Einbeziehung in den Rechtsstreit der Parteien verletzt werden […]. Unberücksichtigt bleiben dürfen darüber hinaus auch nicht die schützenswerten Interessen des Klägers, die dadurch berührt sein können, dass der Prozessstoff sich ausweitet und das Verfahren länger dauern kann. […]

Nach diesen Grundsätzen ist die isolierte Drittwiderklage im Streitfall unzulässig. Das Erfordernis der tatsächlich und rechtlich engen Verknüpfung der Gegenstände von Klage und Drittwiderklage ist nicht gewahrt. Namentlich die rechtlichen Verhältnisse sind im Hinblick auf die erhobenen Ansprüche gerade nicht dieselben. Die jeweils geltend gemachten Ansprüche beruhen auf verschiedenen Vertragsverhältnissen. Die Ansprüche der Klägerin gegen die Beklagte und die Freistellungsansprüche der Beklagten gegen die Drittwiderbeklagten werden aus gänzlich anderen Werkverträgen hergeleitet.“

Insbesondere die Interessen des Bauherrn seien hier zu berücksichtigen:

„Zwar soll durch das Rechtsinstitut der Widerklage die Vervielfältigung und Zersplitterung von Prozessen vermieden werden. Es ist jedoch im Regelfall mit prozesswirtschaftlichen Erwägungen nicht zu vereinbaren, den Rechtsstreit des Bauherrn mit der Klärung von Fragen zu belasten, die für den Schadensersatzanspruch des Bauherrn gegen den Generalplaner bzw. Generalunternehmer nicht von Belang sind […].

Die Erwägung, dass der Generalplaner bzw. -unternehmer unter Umständen einem größeren Insolvenzrisiko ausgesetzt ist, weil es in einem gesonderten Parallelprozess längere Zeit in Anspruch nehmen kann, einen vollstreckbaren Titel gegen den Fachplaner bzw. Nachunternehmer zu erlangen […], vermag keine andere Beurteilung zu rechtfertigen. Selbst wenn dies zutreffen sollte, vernachlässigt diese Überlegung die berechtigten Interessen des Bauherrn, dessen eigener Prozess sich deutlich verlängern kann […] Der Bauherr kann nicht verhindern, dass das Gericht zuvor Feststellungen trifft, die nur für den ihn nicht betreffenden Freistellungsanspruch seines Prozessgegners gegen dessen Vertragspartner von Belang sind.“

Anmerkung

Die Entscheidung beruht m.E. auf einer zutreffenden Abwägung der widerstreitenden Interessen. Insbesondere der Kläger würde über Gebühr belastet, würde man „seinen" (Bau-)Prozess auch noch mit dem Streitstoff der Folgeprozesse belasten.

Die in der Literatur vorgebrachten prozessökonomischen Vorteile einer Verbindung beider Verfahren hingegen kämen nur dem Beklagten zugute. Vor widersprüchlichen Entscheidungen ist der Beklagte aber schon durch die Möglichkeit der Streitverkündung hinreichend geschützt. Und gegen das ins Feld geführte Insolvenzrisiko kann sich der Beklagte in den Verträgen mit seinen Subunternehmern absichern.

Anmerkung Besprechung, BGH, Urteil vom 07.11.2013 - VII ZR 105/13

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