Kosten des Neben­intervenienten und Urteilsberichtigung

Es dürfte zu den gerade „klassischen Fehlern“ in gerichtlichen Entscheidungen gehören: Die vergessene Entscheidung über die Kosten des Nebenintervenienten oder Streithelfers. In einem aktuellen Beschluss vom 16.01.2020 – I ZR 80/18 hat der BGH nun noch einmal klargestellt, wann das Gericht in einem solchen Fall die Entscheidung gem. § 319 ZPO dahingehend „berichtigen“ kann, dass sie um eine Entscheidung über die Kosten des Nebenintervenienten ergänzt wird.

Sachverhalt

Die von der Streithelferin unterstützte Beklagte hatte in zweiter Instanz obsiegt; die Kosten beider Instanzen und die Kosten der Nebenintervention hatte das OLG der Klägerin auferlegt (OLG Stuttgart, Urteil v. 05.04.2018 – 2 U 99/19). Dagegen wendete sich die Klägerin mit der Nichtzulassungsbeschwerde. Die Nichtzulassungsbeschwerde wies der I. Zivilsenat mit (nicht begründetem) Beschluss vom 25.04.2019 zurück und erlegte zugleich der Klägerin gem. § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten des (Nichtzulassungs-)Beschwerdeverfahrens auf. Der Beschluss wurde der Streithelferin am 29.04.2019 zugestellt. Mit am 02.12.2019 beim BGH eingegangenem Schriftsatz beantragte die Streithelferin nun, den Beschluss vom 25.04.2019 im Wege der Berichtigung gem. § 319 ZPO um eine Entscheidung über die Kosten der Streithelferin zu ergänzen.

Wird eine der Parteien des Rechtsstreits durch einen Nebenintervenienten bzw. Streithelfer unterstützt (s. dazu §§ 67 ff. ZPO), bestimmt sich die Kostentragungspflicht nach § 101 Abs. 1 ZPO: Obsiegt die unterstützte Partei, trägt der unterlegene Gegner auch die Kosten des Nebenintervenienten (Hs. 1). Unterliegt die unterstützte Partei, trägt der Nebenintervenient seine Kosten selbst (Hs. 2). Der unterstützten Partei fallen die Kosten der Nebenintervention in keinem Fall zur Last. Da die unterstützte Partei hier obsiegt hatte (der BGH hatte die Nichtzulassungsbeschwerde ja zurückgewiesen) hätte der I. Zivilsenat in seinem Beschluss vom 25.04.2019 also tenorieren müssen: „Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens und der Nebenintervention zu tragen.“ Die erforderliche Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention fehlte aber (ein praktisch sehr häufiger Fehler, s. nur Elzer, FD-ZVR 2016, 377426). Das war dem Anwalt der Nebenintervenientin erst viele Monate später aufgefallen. Er hatte daher beantragt, den Beschluss gem. § 319 Abs. 1 ZPO zu berichtigen. Die Vorschrift ist unstreitig auf Beschlüsse entsprechend anwendbar, fraglich war aber, ob die fehlende Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention tatsächlich eine „offenbare Unrichtigkeit“ i.S.d. § 319 Abs. 1 ZPO war.

Entscheidung

Der I. Zivilsenat hat den Antrag als unbegründet zurückgewiesen.

„Eine Berichtigung nach § 319 Abs. 1 ZPO kommt hier nicht in Betracht.

Zwar ist eine solche Berichtigung nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs grundsätzlich auch im Falle einer versehentlich unterbliebenen Entscheidung über die Kosten der Streithilfe möglich (…). Erforderlich hierfür ist aber, dass eine versehentliche Abweichung von dem seitens des Gerichts Gewollten vorliegt und diese Abweichung „offenbar“ ist, mithin sich dies aus dem Zusammenhang der Entscheidung selbst oder zumindest aus den Vorgängen bei ihrem Erlass oder ihrer Verkündung nach außen deutlich ergibt und damit auch für Dritte ohne Weiteres erkennbar ist (…).

An der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. Zwar wollte der Senat bei dem Erlass des Beschlusses vom 25. April 2019 der Klägerin auch die Kosten der Streithelferin gemäß § 101 Abs. 1 ZPO auferlegen und ist dies lediglich versehentlich nicht im Tenor ausgesprochen worden. Dieses Versehen ist jedoch nicht „offenbar“ im Sinne des § 319 Abs. 1 ZPO, da weder die Gründe des Beschlusses Ausführungen zu den Kosten der Streithelferin enthalten noch im Beschluss die die Kosten des Streithelfers regelnde Vorschrift des § 101 Abs. 1 ZPO genannt wird noch etwa jegliche Entscheidung über die Kosten fehlte und auch sonst hinreichende, nach außen ohne Weiteres erkennbare Anhaltspunkte für ein offenkundiges Versehen nicht vorliegen.

Die bloße Erwähnung der Streithilfe im Rubrum der Entscheidung – wie hier der Fall – genügt insoweit nicht (…).“

Anmerkung

Ein Nebenintervenient steht in so einem Fall übrigens nicht rechtlos: Denn auf einen Antrag auf Ergänzung des Beschlusses gem. § 321 Abs. 1 Var. 2 ZPO wäre der Beschluss selbstverständlich um die Entscheidung über die Kosten der Nebenintervention zu ergänzen gewesen (s. dazu nur den hier auch schon besprochene Beschluss des BGH vom 01.03.2016 – VIII ZR 287/15). Die Frist des § 321 Abs. 2 ZPO (zwei Wochen nach Zustellung) hatte die Nebenintervenientin aber (ziemlich deutlich) versäumt, weshalb ihr lediglich noch der – unbefristete – Weg über § 319 ZPO offen stand. Praktisch ließen sich derartige Fehler übrigens u.U. jedenfalls teilweise vermeiden, wenn seitens der Nebenintervenienten in der mündlichen Verhandlung oder auch in einem Schriftsatz kurz vor der Entscheidung oder dem Verkündungstermin auf § 101 Abs. 1 ZPO hingewiesen würde. Und dem Praktiker in mir bereitet es natürlich nur ein ganz kleines Bisschen Genugtuung, dass solche Fehler auch einem BGH-Senat unterlaufen. Aber wirklich: nur ein Bisschen. ;-) tl;dr: Eine Kostenentscheidung ist nicht schon dann „offenbar“ unrichtig i.S.d. § 319 Abs. 1 ZPO, wenn im Rubrum ein Nebenintervenient genannt ist, es aber an einer Entscheidung über dessen Kosten fehlt. Anmerkung/Besprechung, BGH, Beschluss vom 16.01.2020 – I ZR 80/18. Foto: ComQuat BGH – Palais 1 CC BY-SA 3.0