Entscheidung
Das OLG hielt die Klägerin ebenfalls für beweisfällig:
„Die der Klägerin obliegende Beweisführung ist weder nach einem ihr günstigeren Maßstab zu beurteilen, noch greift gar eine vollständige Beweislastumkehr ein mit der Folge, dass es dem Beklagten zu 1) obliegt, den verkehrstauglichen Zustand der Inliner oder die Nichterkennbarkeit eines den Betrieb ausschließenden Mangels zu beweisen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs liegt in Anwendung des Rechtsgedankens aus §§ 427, 441 Abs. 3 Satz 3, 444, 446, 453 Abs. 2, 454 Abs. 1 ZPO und § 242 BGB eine Beweisvereitelung vor, wenn eine Partei ihrem beweispflichtigen Gegner die Beweisführung schuldhaft erschwert oder unmöglich macht. Dies kann vorprozessual oder während des Prozesses durch gezielte oder fahrlässige Handlungen geschehen, mit denen bereits vorhandene Beweismittel vernichtet oder vorenthalten werden.
Das Verschulden muss sich dabei sowohl auf die Zerstörung oder Entziehung des Beweisobjekts als auch auf die Beseitigung seiner Beweisfunktion beziehen, also darauf, die Beweislage des Gegners in einem gegenwärtigen oder künftigen Prozess nachteilig zu beeinflussen. Als Folge der Beweisvereitelung kommen in solchen Fällen Beweiserleichterungen in Betracht, die unter Umständen bis zur Umkehr der Beweislast gehen können […].
Das Vorliegen dieser Voraussetzungen, die zur Annahme einer Beweisvereitelung berechtigten, hat das Landgericht mit sorgfältiger Begründung verneint. Es fehlt in jedem Fall daran, dass sich nicht feststellen lässt, dass der Beklagte zu 1) die Inliner zumindest fahrlässig in Verkennung ihrer Eigenschaft als der Klägerin günstiges Beweismittel im Sinne eines Augenscheinsobjekts ca. 5 bis 6 Wochen nach dem Unfall entsorgt hat. […]
Von einer Beweisvereitelung kann nur gesprochen werden, wenn eine Partei dem beweisbelasteten Gegner die Beweisführung schuldhaft unmöglich macht oder erschwert, indem sie vorhandene Beweismittel vernichtet, vorenthält oder ihre Benutzung erschwert. Deshalb ist eine Beweisvereitelung nicht anzunehmen, wenn es der beweisbelasteten Partei möglich gewesen wäre, den Beweis – etwa im Wege eines selbstständigen Beweisverfahrens – zu sichern […].
Es kann daher dahin gestellt bleiben, ob der Beklagte zu 1) allein nach der von der Klägerin behaupteten, noch im August 2013 erfolgten Aufforderung ihres Ehemannes, den Haftpflichtversicherer zu benennen, ohne weitere Einzelheiten anzusprechen, eigene Überlegungen hätte anstellen müssen, aus welchen Gründen er der Klägerin schadensersatzpflichtig geworden sein könnte, und er daher in Betracht hätte ziehen müssen, dass es auf den Zustand der von ihm benutzten Inliner aus Beweisgründen im Interesse der Klägerin ankommen könnte.
Offensichtlich hat die Klägerin zunächst selbst nicht daran gedacht, dass es auf den Zustand der Inliner zur Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche zu Beweiszwecken ankommen könnte. Entsprechende Überlegungen aber bei dem Beklagten zu 1) als selbstverständlich vorauszusetzen, ginge zu weit.
Vorliegend hatte die Klägerin […] Gelegenheit, mit den ihr zustehenden Mitteln, so z. B. durch Aufforderung an den Beklagten zu 1), die Inliner nicht zu entsorgen, oder aber durch Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens den Zustand der Inliner durch einen gerichtlich bestellten Sachverständigen feststellen zu lassen. Dass die Klägerin, zunächst nicht anwaltlich beraten, möglicherweise von den Möglichkeiten der Beweissicherung nicht gewusst hat, entlastet sie nicht. Angesichts der bereits absehbaren schweren Folgen des Sturzes hätte sie sich frühzeitig um Rechtsbeistand bemühen können. Aber auch nach Einschaltung der jetzigen Prozessbevollmächtigten, die sich mit Schreiben vom 23.10.2013 bei dem Haftpflichtversicherer des Beklagten zu 1) gemeldet haben, ist die Bedeutung der Sicherung des Beweismittels nicht in den Fokus geraten, wenn auch zu diesem Zeitpunkt ein selbstständiges Beweisverfahren zu spät gekommen wäre.“
Anmerkung
Das hat – worauf auch das OLG mehrfach Bezug nimmt – ebenso auch vor Kurzem der Bundesgerichtshof entschieden (Urteil vom Urteil v. 11.06.2015 – I ZR 226/13). (Die BGH-Entscheidung eignete sich aufgrund des äußerst komplexen Sachverhalts für eine Besprechung aber nur eingeschränkt.)
Dass es auch in einfachen Fällen stets der Einleitung eines selbständigen Beweisverfahrens bedarf, erscheint mir aber zweifelhaft. Ist die zu untersuchende Sache (wie hier) keinen erheblichen Veränderungen durch Zeitablauf unterworfen, dürfte es ausreichen, den Gegner aufzufordern, die Sache nicht zu entsorgen oder eine geplante Entsorgung rechtzeitig mitzuteilen. Wird die Sache dann trotzdem entsorgt, dürfte jedenfalls Fahrlässigkeit, ggf. sogar bedingter Vorsatz anzunehmen sein.
tl;dr: Eine Beweisvereitelung ist nicht anzunehmen, wenn die beweisbelastete Partei den Beweis hätte sichern können, beispielsweise im Wege eines selbständigen Beweisverfahrens.
Anmerkung/Besprechung, OLG Hamm, Beschluss vom 19.04.2016 – 9 U 205/15. Foto:
Rolle Ruhland/OLG Hamm | flickr.com |
CC BY-SA 2.0