Entscheidung
Das OLG Frankfurt hat die Beschwerde zurückgewiesen:
„Die Frage, wie sich die einseitige Erledigungserklärung der Klägerseite auf den Streitwert auswirkt, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Insoweit werden verschiedene Lösungsansätze vertreten:
Der Bundesgerichtshof geht in ständiger Rechtsprechung regelmäßig von einer Streitwertbemessung nach einseitiger Erledigungserklärung nach den bis zur Erledigungserklärung anfallenden Kosten aus. Eine andere rechtliche Beurteilung komme nur ausnahmsweise in Betracht, wenn auch nach tatsächlicher Erledigung das Interesse der Parteien an einer mittelbaren Rechtfertigung des Standpunktes deutlich im Vordergrund stehe […]. Dieser Auffassung haben sich zwischenzeitlich zahlreiche Senate der Oberlandesgerichte und Teile der Literatur angeschlossen […].
Ein Teil der instanzgerichtlichen Rechtsprechung ist hingegen der Auffassung, es verbleibe auch nach einseitiger Erledigungserklärung beim unveränderten Hauptsachestreitwert […].
Nach einer weiteren in der Rechtsprechung und Literatur vertretenen Meinung ist ein prozentual verminderter Feststellungswert, der überwiegend mit 50 Prozent des Hauptsachestreitwertes bemessen wird, anzusetzen […].
Gegen die Auffassung, wonach die einseitige Erledigungserklärung bei der Streitwertbemessung unberücksichtigt bleibt, spricht, dass der gem. § 264 Nr. 2 ZPO zulässige Übergang von der Leistungs- zur Feststellungsklage eine Beschränkung des ursprünglichen Klageantrages darstellt, welche auch in der Verminderung des Streitwertes zum Ausdruck kommen muss.
Allerdings trägt auch ein prozentualer Abschlag, wie er bei der positiven Feststellungsklage üblich ist, im Regelfall dem verminderten Interesse des Klägers nach einseitiger Erledigungserklärung nicht ausreichend Rechnung. Der klagenden Partei kommt es bei einer Erledigungserklärung grundsätzlich darauf an, nicht mit den Kosten des Rechtsstreits belastet zu werden. Die zunächst geltend gemachten Ansprüche treten in den Hintergrund. Hinzu kommt, dass die Streitgegenstände im ursprünglichen Verfahren und im Streit um die Erledigung nicht identisch sind und somit auch eine Abhängigkeit des Wertes des Erledigungsstreites vom Hauptsachestreit im Sinne einer prozentualen Reduzierung nicht zwingend ist.
Im Erfolgsfall hat die Feststellung der Erledigung nur zur Folge, dass die Beklagtenseite mit den Kosten des Rechtsstreits belastet wird. Zwar findet bei der einseitigen Erledigungserklärung noch eine Prüfung der Begründetheit des ursprünglichen Klagebegehrens statt, allerdings handelt es sich insoweit nur noch um die Prüfung einer Vorfrage, so dass keine dogmatischen Bedenken dagegen bestehen, die einseitige Erledigungserklärung insoweit kostenmäßig gleich zu behandeln wie die übereinstimmende Erledigungserklärung, bei der summarisch ebenfalls die Begründetheit der ursprünglichen Klage zu prüfen ist.
Der Senat gibt deshalb seine […] Rechtsauffassung auf und schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an, wonach der Streitwert nach einer einseitigen Erledigungserklärung sich in der Regel nach der Summe der bis zur Erledigungserklärung entstandenen Kosten richtet.
Es besteht im vorliegenden Fall auch kein Anlass, von dieser Regel, wonach die bisherigen Kosten maßgeblich sind, abzuweichen. In Ausnahmefällen ist – was auch höchstrichterlich anerkannt ist […] – das Feststellungsinteresse höher zu bemessen, wenn auch nach tatsächlicher Erledigung das Interesse der Parteien an einer mittelbaren Rechtfertigung des jeweiligen Standpunktes deutlich im Vordergrund steht. Dies wurde bei ehrverletzenden Äußerungen angenommen. […] Es ist nicht ersichtlich, dass es den Parteien – insbesondere der Klägerseite, deren Interesse bei der Streitwertbemessung grundsätzlich im Gegensatz zum Interesse des Beklagten beachtlich ist – vorliegend um mehr als die Frage der Kostentragung geht.“
Anmerkung
M.E. ist es bemerkenswert, dass diese Frage nach wie vor nicht einheitlich beantwortet wird, insbesondere außerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit: Abweichende Ansichten haben in jüngerer Zeit beispielsweise das LAG Hessen (Beschluss v. 20.10.2014 - 1 Ta 463/14) und der VGH München (Beschluss v. 29.01.2016 – 10 CE 15.764) vertreten. Die abweichenden Entscheidungen innerhalb der ordentlichen Gerichtsbarkeit liegen hingegen i.d.R. schon mehr als 10 Jahre zurück.
Die vom BGH aufgestellten und vom OLG Frankfurt übernommenen Grundsätze dürften übrigens entsprechend gelten, wenn man eine Umstellung des ursprünglichen Klageantrags in einen Kostenfeststellungsantrag für zulässig hält (s. dazu ausführlich diesen Beitrag).
tl;dr: Nach einseitiger Erledigungserklärung bemisst sich der Streitwert grundsätzlich nach den bis zu diesem Zeitpunkt entstandenen Gerichts- und Anwaltskosten, soweit nicht das Interesse der Parteien an einer Rechtfertigung des jeweiligen Standpunktes deutlich im Vordergrund steht. (Leitsatz des Gerichts)
Anmerkung/Besprechung, OLG Frankfurt, Beschluss vom 23.06.2016 – 22 W 3/16. Foto:
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