Ein kleiner Schritt für die Menschheit, ein großer Schritt für die grenzüberschreitende Beweisaufnahme: Soweit ersichtlich, haben der Präsident des Oberlandesgerichts Düsseldorf und das Rheinland-Pfälzische Justizministerium erstmals eine unmittelbare Beweisaufnahme durch einen Beauftragten („Commissioner“) nach Art. 17 des Haager Beweisübereinkommens von 1970 (HBÜ) gestattet. Der OLG-Präsident und das Justizministerium in Mainz handelten dabei als Zentrale Behörde („Central Authority“) nach Art. 2 HBÜ für Nordrhein-Westfalen bzw. Rheinland-Pfalz.
Sachverhalt
Ein US-amerikanischer District Court hatte sich im März 2021 mit einem Rechtshilfeersuchen an den Präsidenten des Oberlandesgerichts Düsseldorf und das Rheinland-Pfälzische Justizministerium gewandt und beantragt, die Vernehmung von Zeugen mit Wohnsitz in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich durch einen Beauftragten zu gestatten. Das US-Gericht hatte dazu eine neutrale Beauftragte sowie, für den Fall von deren Verhinderung, eine Vertreterin der Beauftragten bestellt. Bei den neutralen Beauftragten handelte sich durchwegs um deutsche Juristinnen und Juristen. Darüber hinaus hatte das Gericht auch Parteivertreter als weitere Beauftragte bestellt, unter ihnen auch US-amerikanische Anwälte. Weiter wurde im „Letter of Request“ des US District Courts beantragt, die Beweisaufnahme in englischer Sprache, gegebenenfalls mit Hinzuziehung eines Übersetzers, durchzuführen und den Beauftragten zu gestatten, den Zeugen zu vereidigen. Nach dem Rechtshilfeersuchen sollte die Beweisaufnahme durch einen Stenografen dokumentiert werden und über eine Videokonferenzplattform wie beispielsweise Zoom stattfinden. Damit wurde eine direkte Beweisaufnahme nach Art. 17 HBÜ beantragt, die in der deutschen Rechtshilfepraxis bislang keine Rolle spielte. Art. 17 HBÜ lautet:
„(1) In Zivil- oder Handelssachen kann jede Person, die zu diesem Zweck ordnungsgemäß zum Beauftragten bestellt worden ist, im Hoheitsgebiet eines Vertragsstaats ohne Anwendung von Zwang Beweis für ein Verfahren aufnehmen, das vor einem Gericht eines anderen Vertragsstaats anhängig ist, a) wenn eine von dem Staat, in dem Beweis aufgenommen werden soll, bestimmte zuständige Behörde ihre Genehmigung allgemein oder für den Einzelfall erteilt hat und b) wenn die Person die Auflagen erfüllt, welche die zuständige Behörde in der Genehmigung festgesetzt hat. (2) Jeder Vertragsstaat kann erklären, dass Beweis nach dieser Bestimmung ohne seine vorherige Genehmigung aufgenommen werden darf.“
Die Zentrale Behörde kann nach Art. 19 HBÜ die Genehmigung unter Auflagen erteilen, die sie für zweckmäßig erachtet. Weiter kann sie verlangen, das ein Vertreter der Behörde an der Beweisaufnahme teilnimmt. Bei Zeichnung des Abkommens im Jahr 1970 hatte die Bundesrepublik folgende Erklärung zu Art. 17 HBÜ abgegeben:
„A commissioner of the requesting court may not take evidence pursuant to Article 17 of the Convention unless the Central Authority of the Land where the evidence is to be taken has given its permission. Such permission may be made subject to conditions. The local court in whose district official acts would have to be performed by virtue of a Letter of Request in the same matter shall be entitled to control the preparation and the actual taking of the evidence. Under the second sentence of Article 19 of the Convention, a member of the court may be present at the taking of the evidence.“